Antrag zur Sitzung im Hauptausschuss

„Volkstrauertag“ überprüfen – Vereine vor Ort unterstützen

Die Verwaltung überprüft, ob es im Sinne einer reflektierenden Erinnerungskultur geraten und noch zeitgemäß ist, die Gedenkstunden zum „Volkstrauertag“ in den Vorortfriedhöfen und letztlich auch auf dem Hauptfriedhof aus öffentlichen Mitteln zu unterstützen.

Hierbei wird auch das MARCHIVUM zu Rate gezogen, welches die Rezeptionsgeschichte des „Volkstrauertages“ in Mannheim seit den Anfängen in der Weimarer Republik auswertet. Eine solche wissenschaftlich-kritische Auswertung ist auch von daher geboten, als der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK), Begründer des „Volkstrauertages“ und dessen jeweiliger Veranstalter, in diesem Jahr sein 100-Jähriges Bestehen feiert.

Die Verwaltung überprüft außerdem, ob das teilweise praktizierte Totengedenken am Totensonntag ein besser geeigneter Anlass für stadtteilorientierte Identitätspflege sein und entsprechend öffentlich gefördert werden könnte.

Begründung:  

Der Rückzug der Bürgerservices aus der Organisierung der Gedenkstunden zum Volkstrauertag in den Stadtteilen hat zu viel Unmut in der Bevölkerung und bei ortsansässigen Vereinen geführt. Es wird die mangelnde Stadtteilorientierung der Verwaltung gerügt wie auch vermehrte Belastung der Vereine mit Organisationsarbeit, die diese zum Teil gar nicht mehr leisten können.

Der „Volkstrauertag“ wird offensichtlich von Teilen der Gesellschaft als identitätsstiftende Veranstaltung  empfunden. Es ist jedoch zu vermuten, dass die eingentliche Charakteristik der Veranstaltung mehr und mehr in Vergessenheit gerät.

Der „Volkstrauertag“ hat keine demokratische Geschichte. Er war in der Weimarer Republik eine Veranstaltung deutschnationaler und militaristischer Kreise. Vorherrschende Farbe der gezeigten Fahnen waren die des Kaiserreichs (schwarz-weiß-rot). Republikanisch gesinnte Kräfte sammelten sich zum Gedenken an die Kriegstoten auf eigenen Veranstaltungen, in denen die Sinnhaftigkeit des Völkergemetzels in Frage gestellt und nach Maßnahmen zur Stabilisierung des Friedens gerufen wurde. Dagegen bot der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge revanchistischen Kreisen eine Plattform, die von der Dolchstoß-Legende fabulierten und die  möglichst schnell Deutschland zu neuer Größe führen wollten. Sie betrieben statt Totengedenken Heldenverehrung. Nahtlos konnte der „Volkstrauertag“ von den Nationalsozialisten als „Heldengedenktag“ und „Tag der Wehrfreiheit“ weitergeführt werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstituierte sich der VDK und veranstaltete – durchaus auch mit staatlicher Unterstützung – erneut „Volkstrauertage“. Man versammelte sich vorzugsweise an Kriegerdenkmälern, dankte den Gefallenen für ihren Einsatz zum „Schutz des Vaterlandes“. Kritik an dem verbrecherischen Charakter des deutschen Angriffskrieges, an den Wehrmachtsverbrechen, dem Völermord an den Juden und Roma und Sinti, unterblieb systematisch. Stattdessen auch wieder revisionistische Propaganda. Partnerorganisationen des VDK waren Veteranenverbände bis hin zur Hilfsorganisation für SS-Mitglieder HIAG und Vertriebenenverbände. Opferverbände hatten nichts zu suchen und wollten auch mit der Organisation nicht zu tun haben. Noch in den 50er Jahren weigerten sich Veteranenverbände in Mannheim, am Volkstrauertag teilzunehmen, „wenn die Juden kommen“. In den 60er und 70er Jahren musste der VDK aufgrund öffentlichen Drucks auch die „Opfer von Gewaltherrschaft“ in den Kanon des Gedenkens aufnehmen, ohne seine bisherige Ausrichtung kritisch zu reflektieren. Auch 2018 waren bei der der Veranstaltung des VDK auf dem Hauptfriedhof Vertreter von Veteranenverbänden und Reservisten aller Waffengattungen vertreten. Opferverbände suchte man vergebens. Der Volkstrauertag ist deshalb auf den Prüfstand zu stellen, ob er Teil einer demokratischen Gedenkkultur sein kann. Dies gilt auch für die Vororte. Die dortigen Intentionen haben einen besseren Rahmen verdient, und dann auch vielleicht öffentliche Unterstützung

Mehr Personal im Hort entlastet die Eltern Bessere Arbeitsbedingungen als Antwort auf den Personalmangel im Schul-Hort

Liebe Mannheimerinnen und Mannheimer, der Gemeinderat hat über folgende Vorlage der Verwaltung zur Personalausstattung der Schulkindbetreuung im Hort abgestimmt: „Die Besetzung offener Stellen im Hort an der (…) Verlässlichen Grundschule und der Betreuung in Ganztagsschulen erfolgt weiterhin vorrangig mit pädagogischen Fachkräften. Sollte für eine konkret zu besetzende Stelle keine geeignete pädagogische Fachkraft zur Verfügung stehen, kann diese Stelle mit in Vorbildung und Erziehung erfahrenen Personen besetzt werden.“ Was heißt das im Klartext? Finden sich keine ausgebildeten Erzieher/innen in ausreichender Zahl, wird mit Hilfspersonal aufgefüllt. Wir, die Linke im Gemeinderat Mannheim, werden trotz größter Bedenken dieser Vorlage zustimmen, um die Mannheimer Eltern bei der Betreuung ihrer Schulkinder nicht im Regen stehen zu lassen. Damit ist für uns das Problem aber keineswegs gelöst.

Dieses Hilfspersonal wird überwiegend aus Eltern in der näheren Umgebung der Schule bestehen. Eine Schulkindbetreuung ist aber keine beaufsichtigte Aufbewahrungsanstalt für Schulkinder, sondern eine wichtige pädagogische Aufgabe für qualifiziertes Fachpersonal.

Deshalb fordern wir bessere Arbeitsbedingungen für das Hortpersonal, insbesondere in Bezug auf die Arbeitszeiten, um die Arbeitsplätze in der Schulkindbetreuung für Fachkräfte attraktiv zu gestalten. Aktuell werden den Bewerberinnen und Bewerbern für die Schulkindbetreuung keine Vollzeitarbeitsplätze angeboten. Die Teilzeit-Schichten sind in der Regel in einen kurzen morgendlichen Einsatz und einen längeren Nachmittags-dienst aufgeteilt. Diese Regelung ist für qualifizierte Fachkräfte vollkommen unattraktiv. Da Erzieher/innen von allen Trägern in verschiedenen Bereichen händeringend gesucht werden, müssen sie sich darauf nicht einlassen. Der Fachpersonalmangel im Bereich Schulkindbetreuung wird, wenn daran nichts geändert wird, auf nicht absehbare Zeit bestehen bleiben.

Der nächste Gemeinderat muss für die pädagogische Aufgabe der Schulkindbetreuung wesentlich mehr Geld zur Verfügung stellen, um Fachpersonal in erforderlichem Maße anwerben zu können. Das gleiche gilt im übrigen für Schulsozialarbeit, die ausreichend und flächendeckend in den Schulen angeboten werden muss. Wir haben die Hoffnung, dass sich in der Schulkindbetreuung auch die freien Träger dem Ziel einer besseren Ausstattung mit qualifiziertem Fachpersonal anschließen.

Schulkindbetreuung und Schulsozialarbeit sind Voraussetzungen für echte, von der Stadt Mannheim ja auch angestrebte Bildungsgerechtigkeit. Lassen Sie uns auch 2019 gemeinsam für eine qualifizierte Betreuung unserer Schulkinder und echte Bildungsgerechtigkeit kämpfen. Wir wünschen Ihnen gesegnete Feiertage und ein glückliches neues Jahr in einer (leider noch nicht) für alle lebenswerten Stadt!

Ihre Gemeinderätin Nalan Erol

Antrag_Schulkindbetreuung_DIE_LINKE

Gemeinsamer Resolutionsantrag von SPD, CDU, Grünen, ML, LINKE, und FDP am 18.12.18 verabschiedet: Kein Platz für die antisemitische Boycott, Divestment and Sanctions (BDS)-Bewegung in Mannheim

„Oberbürgermeister und Gemeinderat der Stadt Mannheim verurteilen die antisemitische undantiisraelische BDS-Kampagne und die Aufforderung zum Boykott von israelischen Künstlern, Wissenschaftlern, Waren und Unternehmen aufs schärfste. Sie erinnert an den Aufruf der Nationalsozialisten „Kauft nicht bei Juden“ und somit an die dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte. Die BDS-Kampagne verstößt außerdem gegen den Geist und Buchstaben der „Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“. Sie verpflichtet die Stadt Mannheim in der Pflicht, Aufrufen „zu Hass, Gewalt und Ausgrenzung“ entgegenzutreten.

Jegliche Form von Antisemitismus wird in Mannheim nicht geduldet. Oberbürgermeister und Gemeinderat der Stadt Mannheim begrüßen und unterstützen daher den von den Fraktionender CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen eingebrachten Beschluss des Deutschen Bundestages vom 17. Januar 2018, „der weltweiten Bewegung „Boycott, Divestment, Sanctions“ entschlossen entgegenzutreten“. Dem Wortlaut des Bundestagsbeschlusses folgend bekennt sich die Stadt Mannheim zur besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels gelten für uns voraussetzungslos. Sie ruft alle Mannheimer Bürgerinnen und Bürger, Konfessionen, Vereine, Vereinigungen undalle anderen öffentlichen Akteure in unserer Stadt auf, sich dieser Haltung anzuschließen.

Die Stadt Mannheim bekennt sich zu der tief empfundenen Freundschaft zu Israel und setzt sich auch weiterhin für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes ein.

Für DIE LINKE gab Stadtrat Thomas Trüper folgende Erklärung zu Protokoll: „DIE LINKE bringt diese Erklärung gegen die antisemitische BDS-Bewegung wie ersichtlich mit ein. Den außerordentlich schwierigen Friedensprozess mit einer rassistischen Boykottkampagne zu unterminieren, ist zu absolut verwerflich.

Der Friedensprozess hat jedoch viele politische Gegner, auch bei Politiker*innen im Staate Israel selbst. In Verantwortung für den Frieden und für ein sicheres Leben aller Menschen in Israel und in der Region kritisieren wir alle Maßnahmen, die geeignet sind, den Friedensprozess zu stören – von welcher Seite auch immer. Außerdem verwahren wir uns gegen Versuche, jegliche Kritik an der aktuellen Politik der israelischen Regierung als „antisemitisch“ zu diskreditieren.

Wir wissen uns hierbei einig mit über 30 israelischen Wissenschaftler*innen, die am 20. November in einer gemeinsamen Erklärung der EU-Ratspräsidentschaft volle Unterstützung im Kampf gegen Antisemitismus zusicherten, aber warnten: „Europa sagen wir: Vermischt Kritik an Israel nicht mit Antisemitismus.“

Die Resolution wurde vom Gemeinderat gegen die Stimme des NPD-Vertreters Hehl und unter Enthaltung des Stadtrats Ferrat mit großer Mehrheit angenommen.Red.

Baufeld 2 auf Hammonds wird für gemeinwohlverpflichtete Bauträger erworben

Baugemeinschaften wie das Mietshäusersyndikat, Genossenschaften und die GBG können damit rechnen, auf Hammonds das Baufeld 2 günstiges Bauland bzw. Bestandsgebäude zu bekommen, um im Geschoßwohnungsbau durch Sanierung oder Neubau preisgünstige Wohnungen für bis zu 500 Menschen zu erstellen.

Der Gemeinderat hatte in seiner letzten Sitzung vor Weihnachten einer Verwaltungsvorlage zugestimmt, der zufolge die Stadt bzw. einer ihrer Töchter GBG oder MWSP der BIMA (Grundstücksverwalterin der Bundesregierung) das Baufeld 2 abzukaufen zu den neuerdings für diese Zwecke verminderten Preisen. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für preisgünstiges Bauen gegeben.


Die Verwaltungsvorlage war die Reaktion auf drei im Wesentlichen gleichlautende Anträge der SPD, der Grünen und der LINKEN. DIE LINKE hatte bereits vor zwei Jahren gefordert, die Stadt solle Grundstücke für preisgünstigen Mietwohnungsbau erwerben (A225/2016). Insofern ist dies nun eine erste Umsetzung dieses Vorschlags.


Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE

2019 und 2020 Anspruch auf 20 statt 10 Sozialtickets

Die LINKE erreicht einen positiven Nebeneffekt der „Modellstadt Mannheim“ und des Green CityTickets: Inhaber*innen des Sozialpasses erhalten in den kommenden zwei Jahren pro Person und Monat vier statt zwei Fünfer-Blöcke Einzelfahrscheine, zum unveränderten Preis von 1,00 EUR je Einzelfahrschein. 10 Fahrten hin und her statt der dürftigen fünf!

Hintergrund: Zum 1. Januar 2019 sinken die ÖPNV-Preise in Mannheim und teilweise auch Ludwigshafen um durchschnittlich 30%. Dadurch sollen mehr Autofahrer*innen in Busse und Bahnen gelockt werden, um so den NOx und CO2 – Ausstoß in Mannheim zu verringern und Diesel-Fahrverboten zu umgehen.

DIE LINKE hatte im Gemeinderat mit Antrag 302/2018 im September darauf hingewiesen, dass das Subventionsbudget für 75.000 Fünferblöcke nach der Preissenkung für 150.000 Blöcke reicht. Diese Vergünstige müsse an die Leistungsberechtigten weitergegeben werden. Die Verwaltung hatte seinerzeit zugesagt, den Vorschlag zu prüfen. Seither war nichts mehr davon zu hören. DIE LINKE fragte deshalb zu Ende der letzten Gemeinderatssitzung den Oberbürgermeister, wie sich denn die Verwaltung nun entschieden habe. Nach kurzer Beratung zwischen OB und Finanz- und ÖPNV-Dezernent Christian Specht (CDU) gab dieser bekannt:

Jawohl, man werde so wie im Antrag gefordert verfahren. Hätte er natürlich auch ohne Nachfrage verraten können. Nun müssen „nur“ noch die Sozialticket-Berechtigten informiert werden!

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE

Antrag_Verdoppelung_der_Sozialtickets

Taxibetrieb vor die Wand gefahren? 47 Taxler*innen stehen auf der Straße…

… und dies auch im wörtlichen Sinn: Vor dem Mannheimer Rathaus steht am Montag, 3. –Dezember, eine größere Gruppe teils verbal erregter Personen, die Einlass in das Rathaus begehren. „Wir wollen zum Bürgermeister – so eine Unverschämtheit!“ Die Gruppe wird überragt von einer sehr großen Person, die die Regie führt. Es stellt sich auf Nachfrage heraus, dass hier die Belegschaft eines – nach eigenen Angaben des größten – Mannheimer Taxiunternehmens samt ihrem Chef, dem Eigentümer der Firma, unterwegs sind. Ein namentlich nicht gekennzeichnetes Flugblatt gibt nähere Auskunft – es klingt nach Chef: „Stadtverwaltung Mannheim verweigert größtem Taxibetrieb Mannheims die Wiedererteilung der Taxikonzessionen. 21 Taxis, 47 Mitarbeiter, seit 37 Jahren in Mannheim als Taxiunternehmen tätig.“
Das Flugblatt endet mit einem überdimensionalen „Warum???“

Die Taxikonzessionen seien am Freitag, 30.11.2018 u Mitternacht ausgelaufen, „Dadurch verlieren 47 Mitarbeiter einen sicheren Arbeitsplatz und werden kurz vor Weihnachten arbeitslos. Die Vorgehensweise der Stadt Mannheim ist begründet mit einem aus dem Jahre 2008 bis 2010 bestehenden Vorwurf der unternehmerischen Unzuverlässigkeit im Bereich der Lohnbuchhaltung.“

Worauf denn dieser Vorwurf genau beruhe, wird der Unternehmer gefragt.„Ich hatte meinen Leuten damals mehr Lohn ausgezahlt, als ihnen eigentlich zustehen würde – davon kann man ja nicht leben“, antwortet der Unternehmer, der sich offensichtlich als Wohltäter begreift. Rein juristisch betrachtet heißt diese Aussage jedoch „Sozialversicherungs- und Steuerbetrug“. Er hat schlicht Schwarzzahlungen geleistet, was in der Rentenversicherung der Beschäftigten natürlich zu Rentenanspruchsminderungen führt – nicht eben ein Kavaliersdelikt. Er habe jedoch, beteuert der Unternehmer, längst die (unterschlagene) Summe nachgezahlt. Ihm sei vollkommen rätselhaft, warum acht Jahre nach Begleichung der Schuld und der damaligen Wiedererteilung der Zuverlässigkeitsbescheinigung „jetzt die Nicht-Wiedererteilung mit dieser sozialen Härte zu diesem Zeitpunkt durchgesetzt werden soll.

“Was den Unternehmer noch empört, „ist die Tatsache, dass auch unserem Gleichzeitig gestellten Antrag auf Übernahme des Taxibetriebes durch Verkauf des ganzen Betriebes an unseren Sohn und damit Betriebsnachfolger, nicht entsprochen wurde.“ Die Belegschaft hat das Nachsehen – Probleme im Kleinbetrieb Dem Betrachter Szene drängen sich Fragen auf: Gab es in den letzten acht Jahren tatsächlich keine Beanstandungen? Warum hat der Unternehmer, wenn er sein Geschäft nicht mehr betreiben kann, keinen Antrag auf Insolvenz gestellt? Sollte dies dann der durch Kauf (nicht durch Übertragung der Anteile als Vorerbe!) überschuldete Sohn machen?

Warum wurde keine Massenentlassung beim Arbeitsamt gemeldet? Dass es keinen Sozialplan gibt, ist in dieser Branche nicht verwunderlich; denn nur ein Betriebsrat hätte einen Sozialplan vereinbaren können, und einen Betriebsrat gibt es nicht. Ein Betriebsrat hätte der Belegschaft sicherlich auch mitteilen können, dass sich alle sofort bei der Arbeitsagentur melden müssen, um Sperrzeiten zu vermeiden. Er hätte auch darauf hinweisen können, dass innerhalb 2 Wochen Kündigungsschutzklage eingereicht werden muss, um jegliche Rechte zu sichern. In der Branche ist der Fall natürlich bekannt. Man weiß auch, dass der Unternehmer durchaus über Vermögen verfügt, aus dem er noch den Lohn für die Einhaltung der Kündigungsfristen hätte begleichen können, z.B. einen Schrotthandel und mehrere Immobilien.

Das ganze Drama ist ein Lehrstück für Kleinbelegschaften, nicht auf ihre Rechte zu verzichten und sich überhaupt auch gut zu informieren, wofür gewerkschaftliche Organisation unerlässlich ist. Schiebt hier einer die eigene Schuld auf die Stadt und schickt seine Beschäftigten vor? Wie ging es vor dem Rathaus weiter? Die Gruppe wurde vorgelassen in einen Besprechungsraum und wurde dort dem Vernehmen nach von einer Fachbereichsvertreterin angehört.

In den Lizenzerteilungsbestimmungen der Stadt Mannheim heißt es:

„Persönliche Zuverlässigkeit des Unternehmers. Die persönliche Zuverlässigkeit wird anhand des polizeilichen Führungszeugnisses, des Auszuges aus dem Gewerbezentralregister sowie der Auskunft aus dem Verkehrszentralregister geprüft. Des weiteren sind Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes, der Stadtkasse, der Krankenkasse und der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen vorzulegen.“

Einen vergleichbaren Fall gab es vor zwei Jahren in Worms. Dort wurde einem wesentlich kleineren Taxiunternehmen (neun Taxis) die Lizenz entzogen. Laut Wormser Zeitung wollte sich damals der Leiter der Wormser Verkehrsbehörde zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. Aber so viel ließ er durchblicken: „… dass in der Regel schon eine Menge passieren müsse, bis eine Behörde ‚zum letzten Mittel‘ greife.

Normalerweise seien andere Maßnahmen ‚vorgeschaltet‘.“ (https://www.wormser-zeitung.de/lokales/worms/nachrichten-worms/stadt-worms-entzieht-erich-duner-taxi-konzession-neun-taxis-und-zwolf-fahrer-betroffen_16627104).

Der jüngste Fall in Mannheim hat übrigens keine Verbindung zu der zeitgleich stattfindenden Auseinandersetzung zwischen der Stadt Mannheim und dem Ludwigshafener Taxiunternehmen Böhm, welches in Mannheim 20 zusätzliche Taxilizenzen erwerben möchte. In der Branche wird dies sehr kritisch gesehen, weil schon jetzt der Mannheimer Taximarkt zu viele Anbieter habe und die Einkünfte der Fahrer*innen damit noch niedriger würden als bisher schon.

(„Stadt wehrt sich gegen mehr Taxis“, Mannheimer Morgen 03. Dezember 2018)

Thomas Trüper

Sozialatlas Mannheim 2017: Trotz guter Konjunktur gleichbleibend viele AG-II-Bezieher*innen und steigende Zahl der Aufstocker*innen – besonders bei Leiharbeit

Der neue Sozialatlas der Stadt Mannheim für das Jahr 2017 enthält neben einer Fortschreibung der Zahlen der letzten Ausgabe von 2014 interessante „Handlungsempfehlungen“ für Verwaltung bzw. Gemeinderat.

Als Maß der Armut zieht der Atlas lediglich der Zahl der  Transferleistungsempänger*innen heran, da es keine Einkommensstatistik für die Gesamtbevölkerung gibt. Demnach bezogen 28.013 Personen ALG II (gegenüber 28.018 im Jahr 2014). Die Verteilung ist unverändert krass unterschiedlich zwischen Hochstätt (28,6%) und Schönau-Nord (26,9%) einerseits und beispielsweise Feudenheim-Süd, Neuhermsheim (beide 2,7%) oder Oststadt-Nord (2,8%) andererseits.

Arm trotz Arbeit

5.777 der 20.047 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (also ohne Kinder) gingen durchaus einer Erwerbstätigkeit nach (28,8%). Sie beziehen Leistungen nach dem SGB II, weil ihr Erwerbseinkommen zum Lebensunterhalt nicht reicht („Aufstocker*innen“). Im Jahr 2012 waren es „nur“ 5.146 Personen.

1.720 Personen müssen wegen geringfügiger Beschäftigung aufstocken. 2.168 arbeiten aus unterschiedlichen Gründen Teilzeit, aber 1.023 Personen gehen einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung nach, die jedoch nicht zum Leben reicht. Im Jahr 2012 waren dies „nur“ 797.

Und dies sind die Branchen, in denen Aufstocker*innen häufiger beschäftigt sind: „bei Reinigungsdiensten (10,2 %), im Gastgewerbe (6,1 %), sowie zusätzlich in der Arbeitnehmerüberlassung (4,8 %). Besonders ins Auge fällt dabei der hohe Anteil vollzeitbeschäftigter Aufstocker in der Arbeitnehmerüberlassung: Der überwiegende Teil der Leiharbeitnehmer/innen, die ergänzende Leistungen aus der Grundsicherung bezog, war in Vollzeit beschäftigt (71 Prozent; zum Vergleich alle Branchen: 26 Prozent)“ (Sozialatlas 2017, S. 77).

Innerhalb der Aufstocker*innen nimmt der Anteil der EU-Ausländer*innen zu (von 606 im Jahr 2010 auf 1.387 aktuell), die Zahl Nicht-EU- Staatsangehöriger beträgt 1.540; zusammen also etwa 50%. Bedenkt man, dass auch der Gruppe deutscher Staatsangehöriger viele Menschen „mit Migrationshintergrund“ angehören, ergibt sich das – nicht überraschende – Bild, dass Menschen mit Migrationshintergrund weit überproportional vertreten sind.

Kinderarmut ist Elternarmut

Von den 28.013 Menschen im Hilfebezug nach SGB II sind 7.966 „Nichterwerbsfähige“, sprich Kinder unter 15 Jahren, das sind 20,3% bezogen auf alle Kinder in Mannheim, also jedes 5. Kind. Die Realität spielt sich aber dramatischer ab: Die Hälfte der in Armut lebenden Kinder wohnt in 10 der 44 statistischen Bezirke, von Jungbusch über Hochstätt, Neckarstadt-West bis zum Herzogenried mit Anteilen zwischen 51,7% und 32,3%. Fast die Hälfte der betroffenen Kinder leben stadtweit in Alleinerziehenden-Bedarfsgemeinschaften.

Die Autoren des Sozialatlas weisen darauf hin, dass in Armut lebende Kinder häufig frühkindliche Entwicklungsdefizite erleiden, dass sie höhere gesundheitliche Risiken haben und geringere Bildungserfolge erreichen.

Demografische Entwicklung

„Nach der aktuellen Bevölkerungsprognose der Kommunalen Statistikstelle der Stadt Mannheim wird die Bevölkerungszahl der Stadt Mannheim von 316.126 (im Jahr 2017) um 21.898 Personen (+ 6,9 %) auf 338.024 Personen im Jahr 2036 zunehmen. Der prognostizierte Zuwachs der Gesamtbevölkerung setzt sich aus einer zunehmenden Bevölkerungszahl in allen Altersgruppen zusammen, wodurch die Alterung der Bevölkerung in der Stadt Mannheim gedämpft wird. Während in einigen Regionen Deutschlands zukünftig eine deutliche Alterung zu erwarten ist, wird sich die Altersstruktur der Bevölkerung in der Stadt Mannheim nach der Vorausschätzung der Kommunalen Statistikstelle bis ins Jahr 2036 nur vergleichsweise geringfügig verändern. Wie in anderen Großstädten wird die Alterung der Bevölkerung verlangsamt durch eine »altersselektive« Zuwanderung, da vor allem jüngere Menschen zwischen 18 und 35 Jahren nach Mannheim zuziehen.“ (Sozialatlas S. 13f) Wichtige demografische Trends seien die Heterogenisierung sowie die Vereinzelung.

Handlungsempfehlungen

  • Quartierskonzepte zur Stärkung häuslicher Versorgungsstrukturen älterer Menschen
    Quartiersbezogene Konzepte, die nachbarschaftliche Hilfen mit ambulanter Pflegeversorgung verknüpfen, sind ein wichtiges Instrument, um den Bewohner/innen ein selbständiges Leben zu ermöglichen und eine frühzeitige Heimunterbringung zu vermeiden. Folgende Vorhaben sind geeignet, die selbständige Haushaltsführung und Alltagsbewältigung Älterer zu fördern, um den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu sichern.“ Hierbei geht es beispielsweise um ein Konzept für FRANKLIN, „ambulante Unterstützungs-, Versorgungs- und Beteiligungsstrukturen für ältere Menschen mit und ohne Unterstützungsbedarf aufzubauen“ Ferner um einen Modellversuch auf der Vogelstang, „das Angebot der Hilfen im Haushalt auszubauen.“ Die offene Altenhilfe soll weiterentwickelt und modernisiert werden. 
  • Chancen für »Aufstocker«
    „Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung möglichst oberhalb des Niedriglohnbereichs durch (a) Prüfung der Einrichtung eines Servicebetriebs »städtische Dienstleistungen« bzw. der Rekommunalisierung bisher vergebener Dienstleistungen, um existenzsichernde Beschäftigungsmöglichkeiten im Umfeld der Stadtverwaltung zu ermöglichen sowie (b) eine wirtschaftspolitische Handlungsstrategie, die das Ziel der Schaffung bzw. des Erhalts von existenzsichernden Arbeitsplätzen zum Gegenstand lokaler Wirtschaftsförderung macht.“ Sozialamts-Chef Hermann Genz macht es an einem Beispiel deutlich: Es mache keinen Sinnen, im JobCenter vier Reinigungskräfte über eine Fremdfirma zu beschäftigen, die dann gleichzeitig aufgrund ihrer geringen Einkommen „Kunden“ des JobCenters sind. Die Wirtschaftsförderung solle sich überlegen, ob z.B. große Logistikunternehmen angesiedelt werden, wenn auch dort die Einkommen nicht zum Leben reichten.
    Weiter soll die Qualifizierung von Zuwandere*innen forciert werden, um ihnen bedarfsdeckende Berufstätigkeit zu ermöglichen.
  • Sozialraumbezogenes und ressortübergreifend koordiniertes Handeln zur Integration in Erwerbsarbeit umsetzen
    Vor dem Hintergrund der kontinuierlich zunehmenden Zahl der Transferleistungsbezieher/ innen wird empfohlen, ein übergreifendes und koordiniertes Handlungskonzept in einem ausgewählten Stadtteil zu entwickeln.“ Es wird hierbei auf ein 2007 und 2008 praktiziertes Betreuungsmodell in Hochstätt verwiesen, wo durch Einsatz von 9 zusätzlichen Berater*innen ein erheblicher Rückgang der Erwerbslosigkeit auf Freiwilligkeitsbasis erzielt worden sei. Das damalige Projekt wurde durch drastische Kürzung der Eingliederungsmittel seitens der damaligen Bundesregierung gestoppt. Seither steigen in dem Stadtteil die ALG II-zahlen kontinuierlich.
  • Sozial ausgleichende Wohnraumversorgung
    „Vor dem Hintergrund der dargestellten kleinräumigen Konzentration sozialer Benachteiligungen ist eine langfristige Strategie erforderlich, die eine Dezentralisierung von Sozialwohnungen bzw. preisgünstigem Wohnraum fördert und dem Verlust an sozialgebundenem Wohnraum entgegenwirkt. Vorrangiges Ziel einer solchen sozialen Wohnungspolitik ist die Förderung einer ausgewogenen Mischung verschiedener Mietniveaus in einem Quartier. Zielsetzung sollte die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum auch in den Quartieren sein, in denen es bisher an preisgünstigen Wohnungen mangelt. Mit einer Sozialquote im Wohnungsneubau bei der Entwicklung neuer Stadtquartiere, aber auch bei größeren Wohnungsbauvorhaben in bestehenden Stadtteilen, wie sie im Juli 2017 vom Gemeinderat der Stadt Mannheim beschlossen wurde, kann der geförderte Wohnungsneubau mit sozialräumlichen Mischungszielen verknüpft werden.“ (S. 7ff)

Man darf gespannt sein, welche Konsequenzen die Verwaltungsspitze und der Gemeinderat  aus diesen Handlungsempfehlungen ziehen – z.B. bei der Aufstellung des nächsten Doppelhaushaltes. Aus Sicht der LINKEN ist es erfreulich, einige der seit Jahren erhobenen Forderungen nun als amtliche Handlungsempfehlungen lesen zu können, z.B. die Errichtung eines öffentlichen Beschäftigungssektors oder die Bekämpfung der fortschreitenden Segregation der Stadtgesellschaft in „gute“ und „schlechte“ Stadtteile durch aktive Wohnungspolitik. Aber das Lesen-können allein hilft den Menschen auch nicht weiter.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE

Der neue Mietspiegel – ein Preisknaller im üblen Sinn

Der Mietspiegel für die kommenden zwei Jahre bildet eine Steigerung des Mietpreisniveaus gegenüber 2016 um 9,4% ab. Die Durchschnitts-Kaltmiete beträgt jetzt 7,71 EUR gegenüber 7,05 EUR/m². im Jahr 2000 lag dieser Wert noch bei 5,05 EUR. Das ist dann eine Steigerung um 53,7% innerhalb 18 Jahren mit deutlich zunehmender Dynamik.

Der Gemeinderat wird diesen Mietspiegel am 4.12. absegnen (müssen). Er ist nach den Regeln des § 558 d (BGB) aufgestellt. In diesem Jahr wurde er aufgrund einer Stichprobenerhebung fortgeschrieben. 2020 muss er dann wieder vollkommen neu ermittelt werden. Als qualifizierter Mietspiegel muss er nach wissenschaftlichen Grundsätzen erarbeitet sein, d.h. das Ergebnis muss bei jeder anderen Stichprobe identisch herauskommen (Reproduzierbarkeit). Außerdem muss der Mietspiegel von den Verbänden der Vermietenden und der Mietenden gebilligt sein.

Der Deutsche Mieterbund und die Partei DIE LINKE laufen schon seit Jahren Sturm gegen die Grundprinzipien eines jeden Mietspiegels, wie sie im BGB festgelegt sind:
Es werden bei den Stichproben nur solche Mietverträge gewertet, die innerhalb der letzten vier Jahre entweder neu abgeschlossen wurden oder deren Mietpreis innerhalb der vier Jahre verändert, und das heißt ja nun mal in aller Regel erhöht wurde. Alle „stehengebliebenen“ Mietpreisvereinbarungen werden nicht gewertet. Damit ist der Mietspiegel ein Mieterhöhungsspiegel. Er gibt nicht das tatsächlich bestehende durchschnittliche Mietpreisniveau wieder. Außerdem sind bei der Erfassung alle öffentlich geförderten (ca. 5.500 Wohneinheiten) oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen mietpreisreduzierten Wohnungen ausgeschlossen sowie alle Ein- und Zweifamilienhäuser. Insofern können bei den Stichproben von den in Mannheim bestehenden ca. 168 Wohneinheiten nur etwa 115.000 Wohneinheiten herangezogen werden. Von diesen freifinanzierten Wohneinheiten hält die GBG ca. 15.600, also 13,5%. Für den Eigentümerverband Haus und Grund ein Aufreger erster Güte. Die GBG „versaut“ nach deren Auffassung mit ihren unter Mietspiegelniveau liegenden Preisen das wirklich gute Geschäft. Statt 9,4% könnten es sonst doch gerne 10 oder 11% sein! (Siehe den Prozessbericht in dieser Ausgabe, wo es genau um diesen Sachverhalt geht).

Obwohl die „Sozialwohnungen“ von der Mietpreiserhebung ausgeschlossen sind, unterliegen sie dem Mietspiegel ganz direkt. Denn ihr Mietzins ist per städtischer Satzung auf den Mietspiegelpreis minus 10% festgelegt. Deren Mieter haben somit eine kräftige Erhöhung zu erwarten.

Was heißt die Mietspiegelerhöhung für die städtische GBG Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH? Sie folgt bei ihrer Mietpreisgestaltung in aller Regel den Mietspiegelpreis-Bewegungen. Sie muss es aber nicht. Das gilt in gegenwärtiger Phase umso mehr, als in den Mietspiegelpreis eine gehörige Portion spekulative Preistreiberei einfließt. Denn bei Wohnungs- / Mieterwechsel kann der Eigentümer nehmen, was der Markt zulässt. Er ist nicht an den Mietspiegel gebunden (das wäre ja eine Form der verhassten Mietpreisbremse). Es ist also vom Aufsichtsrat der GBG dringend zu erwarten, dass er die Geschäftsführung auffordert, diesmal deutlich unter der Mietspiegelerhöhung bleibt. Bisher liegen die GBG-Mieten in der Regel ca. 1 EUR unter dem Mietspiegelniveau. Es wird der künftigen Mietpreisentwicklung in Mannheim guttun, wenn die GBG noch mehr als bisher bremst. Natürlich muss auch die GBG ihre Mietpreise entsprechend ihrer Kostenentwicklung anpassen, will sie nicht an Substanz verlieren, z.B. indem sie Instandhaltungen und Sanierungen runterfährt. Aber die GBG muss nicht an Spekulationsgewinnen mitverdienen!

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE
Aufsichtsratsmitglied GBG

Hauseigentümerverband will Mietspiegel kippen

Extreme Mieterhöhung soll erzwungen werden

Am 23. November 2018 fand vor dem dem Amtsgericht Mannheim ein wichtige Verhandlung statt, die möglicherweise Bedeutung über Mannheim hinaus hat. Es geht darum, wieviel darf ein Hauseigentümer die Miete erhöhen und wieweit ist er durch den Mietspiegel gebunden.

Ein erster Verkündungstermin des Gerichts erfolgt am 15. Januar um 15 Uhr, Amtsgericht Mannheim, Zimmer 228.

Um was geht es?
Eine Hausbesitzerin will die Miete, die schon jetzt oberhalb des qualifizierten Mannheimer Mietspiegels liegt, nochmals um über 15% erhöhen. Die Mietpartei wehrt sich gegen die Mieterhöhung und bekommt rechtlichen Beistand vom Mieterverein Mannheim.
Die Vermieterin wird unterstützt vom Eigentümerverband „Haus und Grund“. Die rechtliche Vertretung übernimmt deren Vorsitzender persönlich, Rechtsanwalt Josef Piontek.

Rechtsanwalt Piontek zweifelt die Rechtmäßigkeit des Mannheimer Mietspiegels an. Die Erhebung des Mietspiegels sei nicht nach wissenschaftlichen Maßstäben erfolgt, sondern politisch motiviert. Mit dem Mietspiegel betreibt die Stadt Mannheim Wohnungspolitik. Ihn stört vor allem, dass die Mietwohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG mit einer Durchschnittskaltmiete von 6,19 € / qm keine marktgerechten Preise abbilde. Der Mietspiegel werde damit künstlich nach unten gedrückt und sei nicht marktkonform. Der neue Mietspiegel ist mit 9,40€ um 3,20€ darüber. Ohne die GBG-Wohnungen wäre der Mietspiegel aber höher. Haus und Grund will die GBG-Wohnungen bei der Berechnung des Mietspiegels am liebsten ganz draußen haben. Hilfsweise argumentiert der Verband aber, dass auf jeden Fall die Gewichtung mit 14% zu hoch sei.

Rechtsanwalt Sauer vom Mannheimer Mieterverein weist das Ansinnen von Haus und Grund als eine „Klage zur Unzeit“ zurück. Jahrelang habe Haus und Grund den Mannheimer Mietspiegel als Richtgröße akzeptiert. Trotz immenser Mieterhöhungen in den letzten Jahren – in Mannheim in den letzten beiden Jahren 9% Mietsteigerung, die zwei Jahre zuvor 7% Mietsteigerung – sei das für Haus und Grund offensichtlich immer noch nicht genug. Haus und Grund instrumentalisiere das Verfahren für seine Interessen und habe schon angekündigt, notfalls auch in die höhere Instanz zu gehen. Dies sei schändlich und so Sauer gegenüber der Presse eine „unschöne Ausformung des Kapitalismus“. Zum Mannheimer Mietspiegel meinte Sauer, dass dieser auf jeden Fall den gesetzlich geforderten Kriterien genüge.

Rechtsanwalt Piontek konterte, dass es Haus und Grund nicht um ein Politikum gehe, sondern einfach um die Korrektheit des Mietspiegels. Rechtsanwalt Sauer fragte im Gegenzug, wenn Haus und Grund die GBG-Wohnungen draußen haben wolle, weil sie angeblich zu niedrig seine, dann müsste nach dieser Logik, auch die überteuerten Mieten, die weit über dem Marktpreis sind, herausfallen. Aber genau das mache Haus und Grund gerade nicht. Deshalb ginge es dem Verband nur um noch höhere Mieten und darum, eine Regulierung der Mietpreise abzuschaffen.

Wie geht es jetzt weiter?
Die Richterin hat angekündigt, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der Klägeranwalt hat schon einmal Bedenken angekündigt, wenn das Gericht den vom Rechtsanwalt des Mietervereins vorgeschlagenen Gutachter, einen renommierten und einschlägig bekannten Experten, bestellen werde. Das Gutachten soll zur Klärung beitragen, ob der qualifizierte Mannheimer Mietspiegel den wissenschaftlichen Anforderungen entspreche. Und damit letztlich die weitere Gültigkeit des Mietspiegels klären.

Der Vekündungstermin über die Bestellung des Gutachters ist am 15. Januar 2019. Das Verfahren ist in der Sache aber hiermit mit großer Wahrscheinlichkeit nicht beendet und wird dann erst richtig losgehen.

Das Verfahren hat in der Tat eine große und übergeordnete Bedeutung. Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes und des Mietervereins Mannheim ist die Erhebung des Mietspiegels, die gesetzlich festgelegt ist, nicht ideal und bedarf einer gesetzlicheb Überarbeitung.

Der Mieterverein stellt fest:
„Der Mietspiegel bildet gemäß § 558c BGB, nicht den gesamten Querschnitt des Mietwohnungsmarktes (Bestandsmieten) ab, sondern nur die Mieten, die innerhalb der letzten vier Jahre erhöht wurden.
Der Mietspiegel schützt die Mieter bei Neuvermietungen vor allzu übermäßigen Mietsteigerungen. Da nur Neumieten der letzten vier Jahre erfasst werden, die Altmieten aber außen vor bleiben, hat der Mietspiegel auf den allgemeinen Mietspiegel aber auch eine preistreibende Wirkung. Damit wird die ursprüngliche Intention des Mietspiegels in sein Gegenteil verkehrt.“

Die Existenz eines Mietenspiegel, so unvollkommen er gegenwärtig ist, wirkt als allgemeine Bremse für extreme Mieterhöhungen.

Umso schändlicher ist nun, wenn Haus und Grund als Interessenorganisation der Vermieter, nun auch eine der letzten Schranken für übermäßige Mieterhöhungen kippen will. Das darf nicht sein!

Roland Schuster

Antrag zur Sitzung des Gemeinderats am 04.12.18 – SOZIALGERECHTE BODENNUTZUNG – PREISGÜNSTIGEN WOHNRAUM SCHAFFEN

Hammond Barracks zu neuen Konditionen für preisgünstigen / Sozialen Wohnungsbau erwerben

Der Gemeinderat möge beschließen:

  1.  Die Stadt tritt mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in Verhandlung
    über den Erwerb des Baufeldes 2 der Hammond Barracks. Das Baufeld soll
    ausschließlich dem preisgünstigen / Sozialen Wohnungsbau dienen. Die Stadt
    Mannheim gibt hierzu eine Selbstverpflichtung ab, die Bestandsgebäude /
    Baugrundstücke nur an solche gemeinwohlorientierten Bauträger weiter zu geben, die entweder Sozialen Wohnungsbau mit längst möglicher Bindungsfrist
    (Landesförderung) oder nachhaltiges preisgünstiges Wohnen realisieren mit
    dinghafter Sicherung im Grundbuch. Gegenüber der BIMA strebt die Stadt
    Bedingungen an, wie sie durch die Zusage der Bundesregierung angekündigt wurden, Flächen für sozialen Wohnungsbau stark verbilligt oder sogar kostenlos an
    Kommunen abzugeben.
  2.  Die Baugrundstücke sollen der Konzeptvergabe unterliegen. Neben der sozialen
    Bindung sollen die Bauträger auch darauf verpflichtet werden, im Neubau-Anteil
    praxiserprobte preisgünstige und gleichzeitig energetisch hochwertige Baumethoden anzuwenden.
  3. Den Bauträgern wird ggf. ein angemessenes Kurzzeitdarlehen für erste
    Planungskosten gewährt, welches im Rahmen der Baufinanzierung rückzahlbar ist.
    Dem erfahrungsgemäß höheren Planungs-Zeitaufwand von gemeinwohlorientierten
    Baugruppen ist auch hinsichtlich der Grundstücksreservierung Rechnung zu tragen

Begründung 
Die Stadt Mannheim hat einen großen Nachholbedarf bei der Bereitstellung von preisgünstigem Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung. Hierbei erweisen sich die rasant steigenden Bodenpreise als einer der Gründe, die bezahlbares Wohnen im Neubaubereich gravierend erschweren. Mit dem Konversionsprojekt Hammond Barracks in Seckenheim bietet sich für die Stadt Mannheim die Möglichkeit, an dem Förderprogramm des Bundes teilzunehmen. Das Baufeld 2 ist gut geeignet, um in den drei Bestandsgebäuden und sowie den fünf zu errichtenden Neubauten preiswerten Wohnraum für bis zu 500 Menschen zu schaffen und langfristig zu sichern, und dabei gleichzeitig einen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutz-Ziele zu leisten. Diese Möglichkeit muss die Stadt dringend nutzen. Aufgrund der angehobenen Einkommensgrenzen für mietpreisgebundenen Wohnungsbau bzw. der kommunalen Förderrichtlinien besteht keine Gefahr der sozial einseitigen Quartiersbildung.