„Volkstrauertag“ überprüfen – Vereine vor Ort unterstützen
Die Verwaltung überprüft, ob es im Sinne einer reflektierenden Erinnerungskultur geraten und noch zeitgemäß ist, die Gedenkstunden zum „Volkstrauertag“ in den Vorortfriedhöfen und letztlich auch auf dem Hauptfriedhof aus öffentlichen Mitteln zu unterstützen.
Hierbei wird auch das MARCHIVUM zu Rate gezogen, welches die Rezeptionsgeschichte des „Volkstrauertages“ in Mannheim seit den Anfängen in der Weimarer Republik auswertet. Eine solche wissenschaftlich-kritische Auswertung ist auch von daher geboten, als der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK), Begründer des „Volkstrauertages“ und dessen jeweiliger Veranstalter, in diesem Jahr sein 100-Jähriges Bestehen feiert.
Die Verwaltung überprüft außerdem, ob das teilweise praktizierte Totengedenken am Totensonntag ein besser geeigneter Anlass für stadtteilorientierte Identitätspflege sein und entsprechend öffentlich gefördert werden könnte.
Begründung:
Der Rückzug der Bürgerservices aus der Organisierung der Gedenkstunden zum Volkstrauertag in den Stadtteilen hat zu viel Unmut in der Bevölkerung und bei ortsansässigen Vereinen geführt. Es wird die mangelnde Stadtteilorientierung der Verwaltung gerügt wie auch vermehrte Belastung der Vereine mit Organisationsarbeit, die diese zum Teil gar nicht mehr leisten können.
Der „Volkstrauertag“ wird offensichtlich von Teilen der Gesellschaft als identitätsstiftende Veranstaltung empfunden. Es ist jedoch zu vermuten, dass die eingentliche Charakteristik der Veranstaltung mehr und mehr in Vergessenheit gerät.
Der „Volkstrauertag“ hat keine demokratische Geschichte. Er war in der Weimarer Republik eine Veranstaltung deutschnationaler und militaristischer Kreise. Vorherrschende Farbe der gezeigten Fahnen waren die des Kaiserreichs (schwarz-weiß-rot). Republikanisch gesinnte Kräfte sammelten sich zum Gedenken an die Kriegstoten auf eigenen Veranstaltungen, in denen die Sinnhaftigkeit des Völkergemetzels in Frage gestellt und nach Maßnahmen zur Stabilisierung des Friedens gerufen wurde. Dagegen bot der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge revanchistischen Kreisen eine Plattform, die von der Dolchstoß-Legende fabulierten und die möglichst schnell Deutschland zu neuer Größe führen wollten. Sie betrieben statt Totengedenken Heldenverehrung. Nahtlos konnte der „Volkstrauertag“ von den Nationalsozialisten als „Heldengedenktag“ und „Tag der Wehrfreiheit“ weitergeführt werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstituierte sich der VDK und veranstaltete – durchaus auch mit staatlicher Unterstützung – erneut „Volkstrauertage“. Man versammelte sich vorzugsweise an Kriegerdenkmälern, dankte den Gefallenen für ihren Einsatz zum „Schutz des Vaterlandes“. Kritik an dem verbrecherischen Charakter des deutschen Angriffskrieges, an den Wehrmachtsverbrechen, dem Völermord an den Juden und Roma und Sinti, unterblieb systematisch. Stattdessen auch wieder revisionistische Propaganda. Partnerorganisationen des VDK waren Veteranenverbände bis hin zur Hilfsorganisation für SS-Mitglieder HIAG und Vertriebenenverbände. Opferverbände hatten nichts zu suchen und wollten auch mit der Organisation nicht zu tun haben. Noch in den 50er Jahren weigerten sich Veteranenverbände in Mannheim, am Volkstrauertag teilzunehmen, „wenn die Juden kommen“. In den 60er und 70er Jahren musste der VDK aufgrund öffentlichen Drucks auch die „Opfer von Gewaltherrschaft“ in den Kanon des Gedenkens aufnehmen, ohne seine bisherige Ausrichtung kritisch zu reflektieren. Auch 2018 waren bei der der Veranstaltung des VDK auf dem Hauptfriedhof Vertreter von Veteranenverbänden und Reservisten aller Waffengattungen vertreten. Opferverbände suchte man vergebens. Der Volkstrauertag ist deshalb auf den Prüfstand zu stellen, ob er Teil einer demokratischen Gedenkkultur sein kann. Dies gilt auch für die Vororte. Die dortigen Intentionen haben einen besseren Rahmen verdient, und dann auch vielleicht öffentliche Unterstützung