Was der Mannheimer Morgen am 2.3. enthüllte, schlägt schon dem Fass den Boden aus: Tom Bock, der „Anker-Investor“ von Turley seit 2012, erwarb zusätzlich zu den Baufeldern mit den historischen Bestandsgebäuden und der Randlage zur Ebertstraße 2015 von der städtischen MWSP auch noch die Baufelder 4 und 5, die sich von der Ebertstraße bis hin etwa zur Mitte von Turley erstrecken, geschätzte 22.000 m². Er hatte nach Angaben des MM (gehen wir einmal davon aus, dass sie stimmen) dafür 6 Mio. Euro zu zahlen. Drei Jahre später verkauft er die Grundstücke für 36 Mio. Euro und hält trotzdem noch einen Anteil von 15%. Das Sechsfache nach drei Jahren – das ist nach allgemeinem menschlichem Empfinden ein „unanständiges“ Verhältnis. Dazu gehört aber auch jemand, der das zahlt und dann noch die Einschätzung hat, im weiteren Verlauf nochmals an der Investition zu verdienen. Tom Bock hat das Gelände drei Jahre hat liegen lassen, ohne es zu bebauen, und er hat dafür gesorgt hat, dass die Nachbarn des Grundstücks in einer unzumutbar langen Baustellensituation leben müssen. Er hat genommen, was der vollkommen überhitzte Immobilienmarkt hergibt. Überschüssiges Kapital, das mit verzinslichen Papieren kaum Gewinn abwirft, sucht in riesigen Massen Anlagemöglichkeiten im Baugeschäft (Betongold“). Hier sind Marktwertsteigerungen zu erwarten bei Verkauf oder bei Vermietung rasante Mietsteigerungen.
Wie kann es zu einem solchen Skandal kommen?
Hätte die MWSP GmbH den Kaufvertrag mit Tom Bock mit einer Wertschöpfungsklausel ausstatten sollen? Damit der Superprofit wenigstens teilweise an sie zurückfließt und dort für sinnvolle Zwecke eingesetzt werden kann? Und hätte sie nicht, wie eigentlich bei städtischen Grundstückskaufverträgen üblich, eine Zweijahresfrist für den Beginn der Bautätigkeit setzen sollen, ansonsten der Vertrag der Nichtigkeit verfällt?
Lt. Mannheimer Morgen zog Tom Bock eine ihm 2012 gewährte Kaufoption, also ist anzunehmen, dass er die damaligen Konditionen erhielt. Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass 2012 nach einem wegen Kapitalschwäche des Interessenten gescheiterten Verkaufsversuch der BIMA (Bundeseigentum), und nach 5 Jahren Leerstand vor allem das Interesse bestand, einen finanzkräftigen und durch Referenzprojekte als fähig ausgewiesenen Investor zu finden, damit es endlich losgeht. Die Investoren standen nicht Schlange. Zwar gab es sehr interessante Investitionsvorstellungen aus alternativer bürgerschaftlicher Ecke (Turley Village). Aber nur der Projektteil, der mit dem Mietshäusersyndikat preisgünstigen selbstverwalteten Wohnraum schaffen wollte (und schließlich auch realisierte), war finanziell solide ausgewiesen. Außerdem ein ebenfalls von der Johannesdiakonie geplantes Wohnhaus für Schwerbehinderte Menschen.
Die eigentliche Ursache für den Skandal liegt in der Tatsache, dass dieses für die Stadtgesellschaft wertvolle Areal überhaupt dem freien Grundstücksmarkt überantwortet wurde und nicht von der Stadt nach Erwerb von der BIMA gehalten und unter Eigenregie nachhaltig und sozial gestaltet wurde. Die MWSP wurde aber ausdrücklich zu folgendem Geschäftszweck gegründet: „Der Erwerb und die nachfolgende Entwicklung, Erschließung und Vermarktung frei werdender Konversionsflächen stellen nun das Kerngeschäft der Gesellschaft dar.“ (Geschäftsbericht 2015)
Der Grund hierfür liegt in der schieren Größe der Aufgabe bei gleichzeitiger Selbstbeschränkung der Kommune in ihren Finanzierungsmöglichkeiten. Zur Größe der Konversions-Aufgabe wurde OB Peter Kurz am 11.2.12 im Mannheime Morgen zitiert: „Über die Gesamtkosten des Bodenerwerbs wollte Kurz indessen keine Aussage treffen. Bei einem rein hypothetischen Durchschnittspreis von 100 Euro pro Quadratmeter schlügen die 500 Hektar mit einer halben Milliarde zu Buche. Im Verlauf von etwa 20 Jahren könne die Stadt, so Kurz, „mit einer roten Null“ aus der Konversion hervorgehen.“ Also ankaufen – planen – erschließen und schnell wieder an „Investoren“ verkaufen, damit das bei Banken aufgenommene Geld möglichst rasch wieder zurückfließt. In Wien hätte man wahrscheinlich eine solche Aufgabe über den Kommunalhaushalt abgewickelt wie man auch den enormen öffentlichen Wohnungsbau und -bestand seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts kommunal betreibt und bewirtschaftet und über den Kommunalhaushalt laufen lässt.
In der Bundesrepublik herrscht die Doktrin des „schlanken Staates“, der nur die allernotwendigsten Aufgaben erledigt und ansonsten alle Aufgaben der Privatwirtschaft überlässt. Dazu gehört die Doktrin des Verbots von Nettoneuverschuldung. Wohnungsbau ist „rentierlich“ zu betreiben, preisgünstiger Wohnungsbau mit staatlicher Subvention (z.B. Landeswohnraumförderung) ebenso. Erforderliche Darlehen wären ebenso „rentierlich“. Tatsächlich aber hat der Mannheimer Gemeinderat die neoliberale Doktrin im Jahr 2008 (damals hatte der „rechte Block“ 54% Mehrheit) mit einem freiwilligen Nettoneuverschuldungsverbot in die Hauptsatzung hineingeschrieben. Deswegen musste das Konversionsgeschäft in eine städtische Gesellschaft, die MWSP, ausgelagert werden. Dieser wurde nur die Aufgabe der „Projektentwicklung“ übertragen.
Auf dieser Grundlage hat die Stadt trotzdem erhebliche Anstrengungen unternommen, die Konversionsflächen städtebaulich zu gestalten. Sie machte z.B. auf Franklin Konzeptausschreibungen, sie entwickelte das „Franklin-Zertifikat“: Jeder Investor musste bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen. Dazu gehörte wahlweise auch preisgünstiges Wohnen, im Ergebnis allerdings viel zu wenig. Allerdings ist die Einhaltung dieser Kriterien bei Weiterverkäufen nicht gesichert. Die Baugrundstücke sind damit auf einen freien und unkontrollierten Markt geworfen. Der Versuch der LINKEN, mit Antrag A028/2017 eine grundbuchrechtliche Fixierung von Qualitätskriterien in das 12-Punkte-Programm aufnehmen zu lassen, wurde von der Verwaltung so nicht übernommen.
Die Baufelder 4 und 5 auf Turley sind also freie „Handelsware“. Und fast alle anderen Investments auf Turley oder Franklin sind es auch. Nicht jedoch z.B. die Mietshäuser-Syndikats-Häuser und – gehen wir mal davon aus – auf Franklin die GBG-Häuser.
Kommen wir zurück zu den Baufeldern 4 und 5: Dort liegt jetzt der Quadratmeter Bauland bei 1.600 Euro. Ursprünglich lag er (wie auf Turley üblich) in einer Größenordnung um die 260 Euro. Man mag sich ausrechnen, was dieser Baulandpreis auf die zu estellenden Wohnungen (Kauf oder Miete) für eine Auswirkung hat. In späteren Jahren schlagen sich solche Kostensprünge dann auch im Mietspiegel nieder.
Halten statt verkaufen!
Richten wir den Blick nach vorne! Das nächste große (und dann auch für Wohnzwecke letzte) Wohnungsbaugebiet wird Spinelli / Käfertal Süd. Wenn auch diese Grundstücke wie bisher auf den ungeregelten Markt geraten, wird sich die Spekulation munter weiterentwickeln können. Hier gibt es nur eine vernünftig denkbare Lösung: Die MWSP bleibt langfristig Eigentümerin der Grundstücke. Sie wandelt sich also diesbezüglich von einer Entwicklungs- in eine Bauträger- und Verwaltungsgesellschaft. Dazu versorgt sie sich mit langfristigen Darlehen und trägt den Schuldendienst aus den Mieteinkünften. Sonstige Bauträger (die von der CDU durchgesetzten Einfamilienhäuschen und v.a. gemeinwohlorientierte Bauträger) erhalten Erbbaurechte. Wenn dieser Schritt nicht vollzogen wird, kann man sich schon auf den nächsten „Skandal“ einstellen. Das muss verhindert werden. Der Wahlkampf wird an dieser Ecke spannend.
Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE