Das Fleischversorgungszentrum Mannheim (FVZ) steht auf der Kippe:
Es ist eine zu 100% städtische GmbH und erwirtschaftet zurzeit einen Jahresverlust von über 1 Mio. Euro. Das ist für die städtischen Finanzen nicht gut, bemüht man sich doch gerade, die finanziellen Mittel für dringende kommunale Investitionen zu sichern. Und soll ein Betrieb, der nicht mehr wie vor 100 Jahren zur hygienischen und ausreichenden Grundversorgung der Bevölkerung mit Fleisch notwendig ist, tatsächlich kommunal geführt werden – selbst mit Verlusten? Wir wissen doch: So, wie der Strom aus der Steckdose kommt, kommt das Fleisch von Lidl, Aldi und REWE. Tatsächlich stehen die Zeichen schlecht für das FVZ. Es ist der letzte große kommunale Schlachthof. Aber ist viel zu klein, um mit den wirklich Großen mithalten zu können – und genau darin liegt das eigentlich Besondere: Das FVZ Mannheim ist gerade kein Player in der Welt der monströsen Massentierhaltung und der Megaschlachthöfe. Das FVZ hat das Potenzial, Teil einer regionalisierten Lebensmittelversorgung zu sein – am besten zusammen mit der Großmarkt Mannheim GmbH (GMM), die ebenfalls zu 100% städtisch ist und sogar Gewinne im mittleren sechsstelligen Bereich erwirtschaftet.
Fleischwelt im Umbruch
Schon 1975, acht Jahre vor Ablösung des alten Schlachthofs durch das neu errichtete FVZ, konstatierte der SPIEGEL: „Schlachthöfe: Letztes Gefecht. Westdeutschlands Kommunal-Schlachthöfe kosten den Steuerzahler immer mehr Geld. Eine bundesweite Privatisierungswelle verspricht Abhilfe. (…), beschlossen bereits 70 westdeutsche Städte, ihre Schlachthöfe zu privatisieren. (…)Denn mit dem Vordringen moderner Kühl- und Transportsysteme entstanden in den ländlichen Erzeugergebieten immer mehr private und genossenschaftliche Versandschlachtereien, die ihre Rinder- und Schweinehälften schnell und preiswert in jeden Winkel der Bundesrepublik liefern können.“ (27.10.1975). Das Ergebnis dieser Entwicklung bedeutet heute: Die Bundesrepublik ist hinter China und den USA der weltweit drittgrößte Schweineproduzent. Die Schlachtung ist hochzentralisiert: „Die vier größten Unternehmen (Tönnies, Vion, Westfleisch und Danish Crown) haben in 2015 zusammen einen Marktanteil von 63 %. Allerdings ist im Vergleich zu den Vorjahren auffällig, dass sich die Schlachtzahlen an Schweinen der genannten Unternehmen weitestgehend auf Vorjahresniveau bewegen.“ (Beteiligungsbericht der Stadt Mannheim für das Jahr 2015, S. 214). Laut Gewerkschaft NGG beschäftigt die Schlachtindustrie 170.000 Menschen; davon sind nur rd. 41.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt – die Mehrheit arbeitet auf Werkvertragsbasis (agragheute vom 20.10.2016).
Wie funktioniert das FVZ?
Die Schlachtung findet als Lohnschlachtung durch eine alt eingesessene Firma statt mit z.T. seit Jahrzehnten sozialversicherungspflichtig beschäftigten Schlachtern. Die städtische GmbH stellt das Schlachtgebäude samt technischer Ausrüstung sowie die Tierställe. Die Veterinäre sind städtische Angestellte, das technische und kaufmännische Personal wird von der FVZ GmbH gestellt (TVöD, 17 Personen). Das FVZ erhält je Schlachttier eine Gebühr. Ferner vermietet es Gebäude auf dem Grundstück an Zerleger, Fleischverarbeiter, Händler und Nebenbetriebe. In diesen beim FVZ angesiedelten Betrieben arbeiten ca. 160 Menschen. Das FVZ War bisher von zwei Großkunden abhängig (zusammen etwa 90% der Schlachtungen). Der größere Kunde – EDEKA – hat sich mittlerweile vollkommen zurückgezogen. Dies ist neben Produktionskosten- und Tariferhöhungen einer der Gründe für die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme des FVZ. Mit EDEKA wurde viel Umsatz aber kaum Gewinn erzielt. Positiv an EDEKA war ein hoher Qualitätsstandard, den man verlangte hinsichtlich Tierherkunft, Tierhaltung, Schlachtmethoden und Schlachtkörperhygiene.
Wie soll es nach Auffassung der Stadtspitze weitergehen?
Der Oberbürgermeister Peter Kurz sowie der Aufsichtsratsvorsitzende der VFZ Mannheim GmbH, Bürgermeister Michael Grötsch, haben öffentlich angekündigt, dass sie die Liquidierung des Schlachtbetriebes mit Rückbau der Betriebsgebäude bevorzugen. Das hätte unmittelbare Auswirkungen für die angesiedelten Betriebe. Es ginge dann also um insgesamt 180 Arbeitsplätze. Damit würde die Stadt in einem Umfang Arbeitsplätze vernichten, der sie bei vergleichbaren Plänen in der „freien Wirtschaft“ durchaus und berechtigterweise auf den Plan gerufen hat. Im Übrigen ist eine solche Liquidation weder kurzfristig noch kostenfrei umzusetzen. Vielmehr ist mit Kosteneffekten im oberen einstelligen Millionenbereich zu rechnen.
Welche Alternative(n) gibt es?
Das FVZ könnte als „Frischezentrum“ gemeinsam mit der GMM weitergeführt werden (evtl. nach Fusion). Eine konsequente und ausdrückliche Regionalisierungsstrategie mit Schlachttieren aus den umliegenden Regionen und einer entsprechenden Markenbildung wäre mit Sicherheit eine passende Antwort auf die zunehmende Abneigung von KundInnen gegen Ware aus den Megaschlachthöfen mit all ihren Negativfolgen. Sicherlich müsste der Betrieb angepasst und restrukturiert werden. Er müsste durch besondere Qualität höhere Preise erzielen – wofür laut Umfragen durchaus eine Publikumsbereitschaft absehbar wäre. Der Ekel vor unnötiger Tierquälerei, Menschenverachtung und Umweltschädigung nimmt zu. Solch ein „Frischezentrum“ wäre übrigens kein neu zu erfindendes Rad. Inzwischen hat sich sogar die regionale Bauernschaft eingeschaltet – sie fordert auch eine positive Lösung.
Die Aufsichtsräte der FVZ Mannheim GmbH wie auch der GMM GmbH und der städtischen Holding SMB GmbH werden im Mai die Alternativen in einer Klausur diskutieren. Dies konnte immerhin schon mal gegenüber ungestümen Planungen der Stadtspitze durchgesetzt werden.
Thomas Trüper (Stadtrat DIE LINKE)