Mit einem bürgerschaftlich insbesondere von den Mietshäuser-Syndikats-Wohngruppen organisierten Fest wurde am 22. April die Fritz-Salm-Straße eingeweiht, ein neuer Straßenzug auf dem Konversionsgelände Turley in der Mannheimer Neckarstadt. Mit Fritz Salm wird ein Kommunist und Antifaschist geehrt, der im Nationalsozialismus Widerstand geleistet hat und der dann ein Aktivist der Erinnerungsarbeit wurde, zu einer Zeit, als sich noch niemand erinnern wollte. Bei der Eröffnungsfeier sprachen die Stadträte Thoms Trüper (seine Rede ist im Folgenden wiedergegeben) und Gerd Fontagnier. Fritz Reidenbach stellte Leben und Wirken von Fritz Salm dar und Prof. Nieß informierte über die weiteren widerständigen Personen, derer auf Turley mit Straßennamen gedacht wird. Der Schauspieler Michael Timmermann las aus dem Buch „Im Schatten des Henkers“ von Fritz Salm. Der „GE-Chor“ (ehemals Alstom) und Bernd Köhler sorgten für die musikalische Umrahmung.
Liebe Anwohnerinnen und Anwohner der Fritz-Salm-Straße,
liebe Freundinnen und Freunde,
Meine Damen und Herren,
Ich begrüße Sie und Euch sehr herzlich zu diesem Fest zu Ehren von Fritz Salm. Denn endlich ist es so weit: Eine Mannheimer Straße ist nach dem Antifaschisten Fritz Salm benannt. Ich begrüße Sie und Euch auch im Namen unseres Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz und des Gemeinderats, der hier auch durch Gerd Fontagnier und Reinhold Götz vertreten ist.
Der Gemeinderat hat die Entscheidung zur Benennung der Verkehrsflächen auf dem Turley-Areal am 18. Juli 2014 gefasst. Der Weg dorthin war lang und steinig. 2009 sagte die Verwaltung nach einem Antrag der Grünen zu, Fritz Salm für eine der nächsten Straßenbenennungen vorzumerken. Als dann der „Taufbezirk“ Turley anstand, beantragten die Fraktion der Grünen und die Gruppierung der LINKEN, dieses Gebiet dem Gedenken an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu widmen. Insbesondere sollte Fritz Salm in die Vorschlagsliste für die neuen Straßennamen aufgenommen werden. Die übergroße Mehrheit des Gemeinderats war durchaus der Auffassung, es sei richtig und sehr sinnvoll, die Straßen in diesem Taufbezirk nach Personen zu nennen, die „widerständiges Verhalten in der NS-Zeit“ gezeigt haben. An der Person Fritz Salms jedoch schieden sich die Geister: Einige machten ihm zum Vorwurf, dass er auch nach dem Ende NS-Diktatur an seiner kommunistischen Überzeugung festgehalten hat. Wir werden ja im Anschluss einiges über seine Biografie und über sein Wirken hören.
Richtigerweise hat aber eine deutliche Mehrheit des Gemeinderats sich der Auffassung angeschlossen, dass bei Menschen, die dem NS Widerstand entgegengebracht und ihn überlebt haben, der Widerstand und nicht die folgenden Lebensabschnitte in der Würdigung Vorrang haben.
Dies war auch ein wichtiges Bekenntnis zur Mannheimer Erinnerungskultur, die stets die Vielfalt des Widerstandes gewürdigt hat und der Erinnerung an Opfer, Täter und den Widerstand der NS-Zeit besondere Aufmerksamkeit schenkt. Wie aktuell wichtig das ist, zeigen uns alleine heute schon wieder die Vorgänge in Köln, wo die AfD sich anschickt, den Weg hin zu alten NS-Parolen und –Strategien konsequent weiter zu beschreiten. 10.000e werden dagegen Demokratie und Menschenrechte auf den Straßen Kölns verteidigen.
Enthüllung der Gedenktafel mit Fritz Reidenbach (VVN-BdA), Prof. Dr. Ulrich Nieß (Direktor Institut für Stadtgeschichte / Stadtarchiv) und den Stadträten Thomas Trüper (LINKE), Gerhard Fontagnier (Bündnis 90 / Die Grünen) und Reinhold Götz (SPD).
Zurück zu Fritz Salm: Es war vielen Menschen in dieser Stadt ein Anliegen, Fritz Salm mit einer nach ihm benannten Straße zu ehren. Zu nennen sind insbesondere die Bemühungen der VVN – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten. Der VVN, in der Fritz Salm selber aktiv war, möchte ich deswegen besonders für ihren Einsatz danken. Ich danke ebenso dem Vorbereitungskreis Fritz-Salm-Straßenfest für die heutige Veranstaltung, und auch für die Initiative, eine Gedenktafeltafel aufzustellen. Sie informiert über Fritz Salm, aber auch über die anderen hier geehrten Menschen, z.B. Marianne Cohn. Nach ihr ist die Querstraße hier benannt. Marianne Cohn hatte sich nach ihrer Emigration dem Zionismus und in Frankreich der Résitence angeschlossen. Sie wurde im Alter von 22 Jahren von den Nazis ermordet, als sie einen Transport zur Rettung jüdischer Kinder aus dem deutsch besetzten Frankreich Richtung Schweiz begleitet hatte.
Fritz Salm wurde von den Nazis aufgrund seiner antifaschistischen Standhaftigkeit zwar schwer misshandelt, aber er überlebte die Terrorherrschaft. Und so konnte er der nachfolgenden Generation vieles über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus und über die Lehren aus dieser Zeit vermitteln. Seine authentischen Berichte und die Ergebnisse seiner Forschungen, die er schließlich in dem Buch „Im Schatten des Henkers“ zusammenfasste, waren für viele junge Menschen prägend.
Seine Botschaft lautete „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“. Welch besseren Ort kann es für einen Taufbezirk „widerständiges Verhalten in der NS-Zeit“ geben, als ein ehemaliges Kasernengelände, von dem innerhalb von 100 Jahren dreimal Soldaten in Kriege geschickt wurden: Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg und der sog. Krieg gegen den Terror, für den die Mannheimer US-Garnison eine zentrale logistische Drehscheibe war.
Die 13 ha des Turley-Gebietes sind voller spannender Nachbarschaften: So steht zwei Häuser weiter an der Fritz-Salm-Straße das Gebäude der Johannes-Diakonie zur Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung. Dieses Haus inmitten eines Wohngebietes ist eine Einrichtung der Inklusion. Inklusion ist das Gegenteil dessen, was der rassistische Erbgesundheitswahn der Nationalsozialisten versuchte durchzusetzen im Sinne der Herstellung einer „germanische Herrenmensch-Rasse“. Da störten Menschen mit Behinderungen. Der Nationalsozialismus nutzte die lange Geschichte der Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen. Bis in gar nicht so ferne Vergangenheit hinein hatte man diese Menschen aus den Städten abgeschoben in Großanstalten auf dem Lande. Nur so konnte es den Nationalsozialisten gelingen, ihr Tötungsprogramm an wehrlosen behinderten Menschen in großem Umfang durchzuziehen. Diesem Mordprogramm fielen auch 262 Bewohnerinnen und Bewohner der damaligen Johannes-Anstalten Mosbach und Unterschwarzach zum Opfer, darunter auch viele Bürgerinnen und Bürger Mannheims.
Ich will jetzt nicht behaupten, dass dieser Aspekt der nationalsozialistischen Barbarei im Zentrum des damaligen politischen Widerstandes stand. Aber ohne die NS-Herrschaft wäre dies Verbrechen nicht denkbar gewesen. Insofern hat es auch einen tiefen Sinn, dass die Inklusionseinrichtung der Johannes-Diakonie die Adresse Fritz-Salm-Straße hat.
Ich wünsche allen Bewohnerinnen und Bewohnern der Fritz-Salm-Straße und natürlich allen Menschen auf Turley ein gelingendes Zusammenleben.
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!