Mannheim wächst von „unten“. Sozial und Solidarisch!

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren Bürgermeister, liebe Kolleginnen und  Kollegen, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Mannheim und ihrer Gesellschaften, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Öffentlichkeit und der Medien,

Öffentliche Armut – Privater Reichtum

in diesen Haushaltsberatungen wird auf lokaler Ebene die Geschichte von privatem Reichtum bei gleichzeitiger öffentlicher Armut fortgeschrieben. Die öffentliche Armut hindert die öffentlichen Hände, diejenigen Aufgaben ausreichend zu erfüllen, die für eine zukunftssichere und nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft und aller ihrer Glieder wichtig sind. Natürlich wird immer auch irgendwo öffentliches Geld verschwendet und falsch eingesetzt, wie uns seit Jahren auf Bundesebene z.B. der sog. Verteidigungshaushalt vor Augen führt. Umso heftiger versucht das Bundesfinanzministerium bei Kommunen, auf deren Gemarkung Konversionsgelände gelegen sind, die freiwerdenden Grundstücke an die Kommunen zu Höchstpreisen wie an jeden beliebigen profitorientierten Privatinvestor zu verkaufen. Erst unter dem Eindruck der aktuellen Fluchtbewegungen und nach deutlichen Protesten z.B. des Städtetags ist ganz aktuell ein gewisses Einlenken bei Grundstücken für den Wohnungsbau festzustellen. Und um auch das noch festzuhalten: Zwar ist die Unterbringung der Asylbewerber Ländersache. Aber der Bund lässt die Kommunen bei den Begleitaufgaben der Eingliederung in die Gesellschaft von Bildung bis Wohnen im Regen stehen, von ein paar jüngst angekündigten Brosamen abgesehen. Allzu schnell wird dann vom Erreichen der objektiven Grenze und von Überforderung der Bundesrepublik gesprochen.

Blicken wir nach Mannheim. Hier zeichnet sich erneut eine gespenstische Szenerie ab: Alle kritisieren zu Recht einen bedrohlichen Sanierungstau bei öffentlichen Gebäuden und Infrastrukturen, obwohl in den letzten Jahren schon einiges abgearbeitet wurde. Die Notwendigkeit, ganz viel in die Bildung zu investieren, ist in aller Munde. Und schön soll es auch sein in Mannheim: die Parks, das Nationaltheater etc. Und sauber obendrein. Auch den Grünzug wollen alle. Ökologische Nachhaltigkeit ist da schon weniger hoch im Kurs und die Stärkung der sozial Benachteiligten halten viele für puren Luxus. So weit so gut und schlecht.

„Schuldenbremse“ und Ressourcen-Verweigerung

Bei der Frage, wie wir dies alles bewerkstelligen sollen, scheiden sich jedoch die Wege. Obwohl wir hier von Zukunftsaufgaben auch für nachkommende Generationen sprechen, darf sich die Kommune nach der überwiegenden Auffassung – vor allem aber der rechten Seite des Hauses – nur ja nicht netto neu verschulden. Gleichzeitig sind alle Parteien der rechten oder konservativen Seite des Hauses der Ansicht, die Steuereinahmen müssten gesenkt, sie dürften keinesfalls den immer komplexeren und schwierigeren Aufgaben der Stadt nach oben hin angepasst werden. Neuerdings fällt diesen Kolleginnen und Kollegen auf, dass die Stadt nicht aufhört, weiter an ihrer Zukunft zu arbeiten, dass sie das aber in zunehmendem Umfang in so genannten „Schattenhaushalten“, sprich über privatrechtlich organisierte Töchter erledigt. Dies gilt insbesondere für die GBG und die Zukunftsaufgabe Wohnen und erst recht für die beiden Töchter BBS mit der Zukunftsaufgabe Schulen und die MWSP, mit ihrem Jahrhundertprojekt Konversion. Alle Gesellschaften nehmen selbstverständlich neue Schulden auf und die Stadt bürgt. Zur Befriedung der Konservativen geht all dies m.o.w. am Kommunalhaushalt vorbei, es wird von kleinen Lenkungskreisen und von gemeinderätlichen Aufsichtsräten gesteuert. In der konsolidierten Gesamtbilanz des sog. „Konzern Mannheim“ fließt dann alles wieder zusammen: Das erworbene Vermögen und die Schulden. Es ginge auch anders und demokratischer und ehrlicher. Hauptsache „Schuldenbremse!“

In den Worten eines unverdächtigen Kommentators, nämlich Arvid Kaiser vom managermagazin:

„Der Staat investiert chronisch zu wenig in die Zukunft, vor allem in ein für alle leistungsfähiges Bildungssystem. Selbst der Steuerzahlerbund konzediert einen „Sanierungsstau“ in der öffentlichen Infrastruktur. Mehr Ausgaben wären hier also durchaus sinnvoll, werden auch wegen der Schuldenbremse aber höchstens mit kreativen Umwegen und unzureichend getätigt. (managermagazin 12.06.2015: 20 Jahre Schuldenuhr. Wo bleibt unsere Vermögensuhr?)

Auf diese Weise ist die Stadt Mannheim am Ende sogar „zu arm um zu sparen“: Beispielsweise könnten schneller als geplant in LD-Straßenbeleuchtungen investiert und der Stromverbrauch deutlich schneller reduziert und gleichzeitig mehr für die CO2-Bilanz getan werden. Fehlanzeige!

Die grund- und nutzlose Absenkung der Gewerbesteuer zwischen 2000 und 2012 hat der Stadt einen kumulierten Vermögensschaden von weit über 60 Mio Euro verursacht. Das sind 10% der Kämmereischulden oder 20% des Sanierungsstaus. Jetzt wollen die gleichen Kräfte die Erhöhung der Grundsteuer verweigern, und schlagen stattdessen im Wesentlichen – wie immer – einen Personalabbau vor, nicht ohne gleichzeitig mehr Personal im KOD zu fordern. Die Ablehnung der Grundsteuererhöhung würde ein Drittel der Effekte des Haushaltsstrukturprogramms II kosten.

Haushaltsstrukturprogramme nicht ohne Stärkung der Einnahmenseite

DIE LINKE unterstützt den Vorschlag der Verwaltung, die Grundsteuer zu erhöhen und weist den durchsichtigen Versuch der Eigentümer großer und teurer Grundstücke zurück, den angeblichen Mieterschutz als persönlichen Schutzwall vor sich herzuschieben. DIE LINKE hält diese maßvolle Steuererhöhung jedoch nicht für ausreichend, um Mannheim in die Lage zu versetzen, die gestellten Aufgaben stemmen zu können.

Bei der Gewerbesteuer halten wir einen Hebesatz von 440 Punkten für machbar und erforderlich. Die Gewerbesteuerzahler können sich dafür eines in den wirklich wichtigen Faktoren sehr guten Wirtschaftsstandorts erfreuen.

Wenn die perspektivisch sinkende Investitionskraft Mannheims der Grund für die Haushaltsstrukturprogramme II und III ist, so stellen wir fest: Ohne eine Verbesserung der Einnahmenstruktur kann der Haushalt nicht ins Lot geraten.

Die Einnahmenseite kann auf zwei weiteren Gebieten – zwar nicht unmittelbar durch die Stadt – strukturell verbessert werden: Durch die Überwachung der Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns (Anteil an der Einkommensteuer steigt, der Aufstockungsbedarfs für 5.600 Personen sinkt) und durch die Förderung der „Steuerehrlichkeit“. Hier muss man und kann man gemeinsam mit anderen Städten und Gemeinden auf mehr Aktivitäten der Landesfinanzverwaltung und des Zolls dringen. Auch das gehört aus unserer Sicht zu einem Haushaltsstrukturprogramm zwingend dazu.

Im Übrigen tragen wir unseren Erachtens vernünftige Maßnahmen mit. Ablehnend stehen wir jedoch nachhaltig kontraproduktiven Maßnahmen gegenüber: Die Erhöhung der Kita- und Hortgebühren ist für uns kein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit – im Gegenteil. Die Destabilisierung der Freiwilligen Feuerwehren durch Kürzung der ohnehin eher ideellen Aufwandsentschädigungen halten wir für ebenso wenig nachvollziehbar wie die Kürzungen im Bereich der Straßenreinigung, die erst im vergangenen Haushalt mühsam auf eine mindestens erforderliche Personalstärke gehievt wurde.

Armutsbekämpfung auch eine kommunale strategische Aufgabe

Meine Damen und Herren,

mit Mindestlohn und Steuerehrlichkeit ist das Thema Armut und Reichtum schon einmal angeklungen. DIE LINKE fordert einen umfassenden Armuts- und Reichtumsbericht. Er soll Ansatzpunkte aufzeigen soll, wo und wie Armut bekämpft, nicht nur versorgt werden kann. Dies ist eine Querschnittsaufgabe der gesamten Verwaltung, nicht nur der Dezernate 2 und 3. Beispielsweise gibt es eindeutige sich gegenseitig bedingende Bezüge zwischen Wohnsituationen und Armut.

Ein wesentlicher Ausgabenposten des Haushalts resultiert aus den Pflichtaufgaben bei „Arbeit und Soziales“ mit einem Netto-Ressourcenbedarf von 160 Mio. Euro (nach SGB II und XII) sowie bei den individuellen Hilfen für junge Menschen nach SGB VIII mit 65 Mio. Euro pro Jahr, Tendenz steigend. Pflichtaufgaben müssen bedient werden, und die betroffenen Menschen haben in unserer Gesellschaft jeden Anspruch auf Unterstützung, die oft genug ja viel zu knapp bemessen ist. Aber wir sollten diesen Unterstützungsbedarf nicht als naturgesetzlich gegeben betrachten. Diese Bedarfe entstehen zu einem nicht unerheblichen Teil aus gesellschaftlichen Konstellationen, die etwas mit Armut zu haben, und die verbessert werden können und müssen. Hierzu zählen Dauerarbeitslosigkeit, ungünstige Wohnverhältnisse junger Menschen, Bildungsarmut, vorzeitige Bedarf an stationärer Unterbringung im Alter, misslungene Integration und Inklusion. Die Armut hat steigende Tendenz. Man betrachte allein die Kinder- und die Altersarmut. Der integrierte Armuts- und Reichtumsbericht soll umfassendere Ansatzpunkte und Handlungsstrategien zur Bekämpfung dieser Missstände liefern, als dies ein Sozialatlas und ein Bildungsbericht bisher leisten können. Wenn Mannheim sich eines nicht leisten kann, dann ist es nicht das Nationaltheater, sondern die Armut vieler seiner Bürgerinnen und Bürger. Die Bekämpfung der Armut ist eine wesentliche und sehr komplexe strategische Aufgabe – aus humanitären Gründen, aber durchaus auch haushaltsrelevant. Die bisherigen Erfolge sind mäßig, wie z.B. jeder neue Bildungsbericht belegt. Die Kinderarmut nimmt zu.

Weitere Zukunftsaufgaben

Meine Damen und Herren,

DIE LINKE möchte mit ihren Finanzierungsvorschlägen ein paar Zukunftsaufgaben unterstützen:

Mannheim braucht ein kräftig erhöhtes kommunales Wohnraumförderungsprogramm. Wir setzen es mit 1,5 Mio. Euro jährlich an. Es soll – zusammen mit der Landesförderung und evtl. noch vom Bund zu erwartenden Geldern – den Aufwuchs im niedrigpreisigen Mietwohnungssegment stärken. Die GBG leistet seit Jahren Enormes bei Instandsetzung und Modernisierung. Aber trotzdem gibt es seit 2008 aus unterschiedlichen Gründen einen Verlust von über 1.000 Wohnungen im niedrigen Preissegment. Ein niedrigpreisiger Ersatz in Neubauten ist nur mit massiver öffentlicher Förderung möglich, wie einst im sozialen Wohnungsbau.

Der deutliche Zuwachs an höher- und hochpreisigen Wohnungen und Eigenheimen, der zurzeit in Planung ist, wird – möglicherweise – neue und finanziell gut gestellte Menschen nach Mannheim locken.

Aber unzweifelhaft wächst Mannheim von „unten“: Die meisten Kinder kommen in den ärmeren Stadtteilen zur Welt, 60% der Jüngsten haben Migrationshintergrund (was allerdings nicht immer mit „arm“ gleichzusetzen ist). Die Zuwandernden sind bisher schon und werden auch zukünftig finanziell schlecht gestellt sein. Lassen Sie es 5.000 oder 10.000 Menschen sein, die sich in den nächsten Jahren in unserer weltoffenen Stadt niederlassen werden. Die bisher schon heftige und nicht zu befriedigende Nachfrage nach preisgünstigen Wohnungen wird also künftig noch heftiger werden. Ausufernde Konkurrenz um preisgünstigen Wohnraum ist ein Spiel mit dem Feuer!

Für Bildung hat Mannheim in den letzten Jahren ebenfalls viel investiert, vor allem in den Kita-Bereich und in Schulsanierungen. Dennoch ist das tägliche Leben in den Schulen von vielen Friktionen geprägt. Der Ausbau von Ganztagsschulen ist notwendig, erfordert aber auch zusätzliches Betreuungspersonal. Wir schlagen daher 25 neue Stellen für Schulsozialarbeit vor, die jedoch zunächst in der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländer zum Einsatz kommen sollen.

Gesellschaftliche, kulturelle und auch z.B. politische Teilhabe setzen Mobilität voraus, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen in den meisten Fällen auch. Der Gemeinderat hat vor vier Jahren die Einführung des Sozialtickets beschlossen, aber finanziell pro Berechtigtem nur fünf Hin- und Rückfahrten innerhalb des Stadtgebiets ermöglicht. Von einer Monatskarte sind wir meilenweit entfernt. Hier muss letztlich das Land sein Wort einlösen und ein Landes-Sozialticket oder zumindest eine Förderung wie beim Ticket ab 60 auf die Beine bringen. Als Übergang streben wir 10 Hin- und Rückfahrten je Berechtigtem an. Das erfordert ein plus von 400.000 Euro. Überfällig ist auch die Ausgabe der Tickets an den RNV-Automaten.

Mobilität und Teilhabe kann auch an fünf Stufen ein jähes Ende finden, z.B. für mobiltätseingeschränkte Menschen in der Kunsthalle am Übergang zum Billingbau. Ich möchte ausdrücklich begrüßen, dass die Abwendung dieses drohenden Problems durch die Hereinnahme eines bisher nicht geplanten Aufzugs in die Nachschiebeliste in greifbare Nähe gerückt ist. Glückwunsch an die AG Barrierefreiheit, deren Protest uns vor zwei Jahren veranlasste, ihre Forderung in unsere Haushaltsrede aufzunehmen!

Meine Damen und Herren,

Mannheim ist stolz auf seine kulturellen „Leuchttürme“, und wir lassen uns diese „Leuchttürme“ wahrlich viel kosten und bauen mit dem Institut für Stadtgeschichte im Ochsenpferchbunker schon am nächsten.

Aber Mannheim hat – um im Bild zu bleiben – auch einen strahlenden Sternenhimmel. Und das sind die unglaublich vielen Menschen, die ehrenamtlich, in Vereinen und Initiativen, in personell meist schwach ausgestatteten Institutionen oder einfach ad hoc, wie gerade jetzt in der Flüchtlingshilfe, für gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen. Sie geben Kindern und Jugendlichen wichtige Impulse, lösen in Selbsthilfegruppen ganz viele Probleme, sorgen für sportliches und geselliges Leben, engagieren sich kulturell, sozial und für Integration, machen die Stadt lebenswert. Wir dürfen ihnen das Leben nicht schwer machen. Vereine haben es ohnehin nicht leicht: Der Rückgang von Straßenfesten, die Schwierigkeit Trainer zu finden oder das Vereinsheim zu erhalten: Höhere Gebühren können das Fass zum Überlaufen bringen. Wenn Gebührensätze und Raummieten in städtischen Liegenschaften steigen, muss es auch künftig Freistellungsmöglichkeiten geben.

Dank

Meine Damen und Herren,

Lassen Sie mich abschließend allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Mannheim und ihrer Gesellschaften Dank sagen für die in den vergangenen zwei Jahren geleistete Arbeit.

Ein zusätzlicher Dank gilt all jenen, die an der Erstellung des Haushaltswerkes mitgewirkt haben und so dem Gemeinderat die Möglichkeit geben, sein demokratisches Grundrecht der Haushaltshoheit auszuüben.

In diesem Zusammenhang auch ein spezieller Dank für die ausgezeichnete Begleitung des Beteiligungshaushalts und für die Bedienung der unerschöpflichen Fragen-Plattform. Hier auch ein Dank an alle Gemeinderats Kollegen und Kollegen, die mit ihren Fragen und den erhaltenen qualifizierten Antworten für alle den Haushalt transparenter gemacht haben. Nicht vergessen wollen wir auch die Bürgerinnen und Bürger, die am Beteiligungshaushalt teilgenommen haben!

Ich wünsche uns sachliche und für die Menschen in der Stadt Mannheim hilfreiche, nutzvolle und voranbringende Etatberatungen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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