Taxibetrieb vor die Wand gefahren? 47 Taxler*innen stehen auf der Straße…

… und dies auch im wörtlichen Sinn: Vor dem Mannheimer Rathaus steht am Montag, 3. –Dezember, eine größere Gruppe teils verbal erregter Personen, die Einlass in das Rathaus begehren. „Wir wollen zum Bürgermeister – so eine Unverschämtheit!“ Die Gruppe wird überragt von einer sehr großen Person, die die Regie führt. Es stellt sich auf Nachfrage heraus, dass hier die Belegschaft eines – nach eigenen Angaben des größten – Mannheimer Taxiunternehmens samt ihrem Chef, dem Eigentümer der Firma, unterwegs sind. Ein namentlich nicht gekennzeichnetes Flugblatt gibt nähere Auskunft – es klingt nach Chef: „Stadtverwaltung Mannheim verweigert größtem Taxibetrieb Mannheims die Wiedererteilung der Taxikonzessionen. 21 Taxis, 47 Mitarbeiter, seit 37 Jahren in Mannheim als Taxiunternehmen tätig.“
Das Flugblatt endet mit einem überdimensionalen „Warum???“

Die Taxikonzessionen seien am Freitag, 30.11.2018 u Mitternacht ausgelaufen, „Dadurch verlieren 47 Mitarbeiter einen sicheren Arbeitsplatz und werden kurz vor Weihnachten arbeitslos. Die Vorgehensweise der Stadt Mannheim ist begründet mit einem aus dem Jahre 2008 bis 2010 bestehenden Vorwurf der unternehmerischen Unzuverlässigkeit im Bereich der Lohnbuchhaltung.“

Worauf denn dieser Vorwurf genau beruhe, wird der Unternehmer gefragt.„Ich hatte meinen Leuten damals mehr Lohn ausgezahlt, als ihnen eigentlich zustehen würde – davon kann man ja nicht leben“, antwortet der Unternehmer, der sich offensichtlich als Wohltäter begreift. Rein juristisch betrachtet heißt diese Aussage jedoch „Sozialversicherungs- und Steuerbetrug“. Er hat schlicht Schwarzzahlungen geleistet, was in der Rentenversicherung der Beschäftigten natürlich zu Rentenanspruchsminderungen führt – nicht eben ein Kavaliersdelikt. Er habe jedoch, beteuert der Unternehmer, längst die (unterschlagene) Summe nachgezahlt. Ihm sei vollkommen rätselhaft, warum acht Jahre nach Begleichung der Schuld und der damaligen Wiedererteilung der Zuverlässigkeitsbescheinigung „jetzt die Nicht-Wiedererteilung mit dieser sozialen Härte zu diesem Zeitpunkt durchgesetzt werden soll.

“Was den Unternehmer noch empört, „ist die Tatsache, dass auch unserem Gleichzeitig gestellten Antrag auf Übernahme des Taxibetriebes durch Verkauf des ganzen Betriebes an unseren Sohn und damit Betriebsnachfolger, nicht entsprochen wurde.“ Die Belegschaft hat das Nachsehen – Probleme im Kleinbetrieb Dem Betrachter Szene drängen sich Fragen auf: Gab es in den letzten acht Jahren tatsächlich keine Beanstandungen? Warum hat der Unternehmer, wenn er sein Geschäft nicht mehr betreiben kann, keinen Antrag auf Insolvenz gestellt? Sollte dies dann der durch Kauf (nicht durch Übertragung der Anteile als Vorerbe!) überschuldete Sohn machen?

Warum wurde keine Massenentlassung beim Arbeitsamt gemeldet? Dass es keinen Sozialplan gibt, ist in dieser Branche nicht verwunderlich; denn nur ein Betriebsrat hätte einen Sozialplan vereinbaren können, und einen Betriebsrat gibt es nicht. Ein Betriebsrat hätte der Belegschaft sicherlich auch mitteilen können, dass sich alle sofort bei der Arbeitsagentur melden müssen, um Sperrzeiten zu vermeiden. Er hätte auch darauf hinweisen können, dass innerhalb 2 Wochen Kündigungsschutzklage eingereicht werden muss, um jegliche Rechte zu sichern. In der Branche ist der Fall natürlich bekannt. Man weiß auch, dass der Unternehmer durchaus über Vermögen verfügt, aus dem er noch den Lohn für die Einhaltung der Kündigungsfristen hätte begleichen können, z.B. einen Schrotthandel und mehrere Immobilien.

Das ganze Drama ist ein Lehrstück für Kleinbelegschaften, nicht auf ihre Rechte zu verzichten und sich überhaupt auch gut zu informieren, wofür gewerkschaftliche Organisation unerlässlich ist. Schiebt hier einer die eigene Schuld auf die Stadt und schickt seine Beschäftigten vor? Wie ging es vor dem Rathaus weiter? Die Gruppe wurde vorgelassen in einen Besprechungsraum und wurde dort dem Vernehmen nach von einer Fachbereichsvertreterin angehört.

In den Lizenzerteilungsbestimmungen der Stadt Mannheim heißt es:

„Persönliche Zuverlässigkeit des Unternehmers. Die persönliche Zuverlässigkeit wird anhand des polizeilichen Führungszeugnisses, des Auszuges aus dem Gewerbezentralregister sowie der Auskunft aus dem Verkehrszentralregister geprüft. Des weiteren sind Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes, der Stadtkasse, der Krankenkasse und der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen vorzulegen.“

Einen vergleichbaren Fall gab es vor zwei Jahren in Worms. Dort wurde einem wesentlich kleineren Taxiunternehmen (neun Taxis) die Lizenz entzogen. Laut Wormser Zeitung wollte sich damals der Leiter der Wormser Verkehrsbehörde zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. Aber so viel ließ er durchblicken: „… dass in der Regel schon eine Menge passieren müsse, bis eine Behörde ‚zum letzten Mittel‘ greife.

Normalerweise seien andere Maßnahmen ‚vorgeschaltet‘.“ (https://www.wormser-zeitung.de/lokales/worms/nachrichten-worms/stadt-worms-entzieht-erich-duner-taxi-konzession-neun-taxis-und-zwolf-fahrer-betroffen_16627104).

Der jüngste Fall in Mannheim hat übrigens keine Verbindung zu der zeitgleich stattfindenden Auseinandersetzung zwischen der Stadt Mannheim und dem Ludwigshafener Taxiunternehmen Böhm, welches in Mannheim 20 zusätzliche Taxilizenzen erwerben möchte. In der Branche wird dies sehr kritisch gesehen, weil schon jetzt der Mannheimer Taximarkt zu viele Anbieter habe und die Einkünfte der Fahrer*innen damit noch niedriger würden als bisher schon.

(„Stadt wehrt sich gegen mehr Taxis“, Mannheimer Morgen 03. Dezember 2018)

Thomas Trüper