Trotz „guter Arbeitsmarktbedingungen“: Mannheim ist Zentrum von Kinderarmut, Langzeitarbeitslosigkeit und Aufstockern – Tendenz zunehmend. Der erste Armuts- und Reichtumsberichts für Baden-Württemberg besagt, dass in Mannheim das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte im Landesvergleich am niedrigsten ist. (Quelle: Erster Armuts- und Reichtumsbericht für Baden-Württemberg (2015): Seite 135). Ein Teil dieser Einkommenssituation ist auf die hohe Zahl der Menschen zurückzuführen, die auf Leistungen nach SGB II angewiesen sind. Im Dezember 2016 waren dies 28.484 Personen. Davon waren 20.339 Personen erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Bezug von Arbeitslosengeld II und 8.151 Personen nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, wobei es sich dabei fast ausschließlich um Kinder unter 15 Jahren handelt. Bezogen auf die Bevölkerung unter 65 Jahren lag die Quote der SGB II-Leistungsbezieher/innen im Jahr 2015 bei 8,3 % – und damit deutlich über der entsprechenden Quote in Baden-Württemberg (3,5 %). Bei den minderjährigen Kindern lag die Quote bei 22% (Landesdurchschnitt 8,4%). Fast jedes vierte Kind in Mannheim lebt demnach in einem Haushalt unter Armutsbedingungen. Diese Quote ist fast dreimal höher als im Land Baden-Württemberg.
Obwohl die Wirtschaft prosperiert, ist die Zahl der erwerbsfähigen SGB II-Leistungsberechtigten von 2012 bis 2015 um 8,7 % gestiegen (20.517 Personen). 2015 auf 2016 fiel die Zahl leicht um 278. Ein Spezialeffekt in Mannheim sind erwerbsfähige Leistungsbezieher*innen die aus Bulgarien und Rumänien zugewandert und weiter zuwandern. Waren es 2014 ca. 900, sind es 2016 ca. 1.300 Leistungsberechtigte aus diesen beiden Ländern. Geflüchtete spielen noch keine große Rolle, da Mannheim als LEA-Standort keine „kommunalen Flüchtlinge“ aufnehmen muss. Die neue Wohnsitzauflage endet für die ersten Geflüchteten 2018. Dann rechnet die Verwaltung mit mindestsens 3.500 nach Mannheim kommenden und hier verbleibenden Geflüchteten.
Innerhalb der erwerbsfähigen Leistungsbezieher*innen ist ein hoher Anteil im „Langzeitbezug“, nämlich 13.607, darunter 8.192 Personen bereits länger als vier Jahre. Dies wirft ein entlarvendes Licht auf die Theorie vom „Fordern und Fördern“, die von der quasi schuldhaften Erwerbslosigkeit der betroffenen Menschen ausgeht, der durch Auflagen und Sanktionen „etwas nachgeholfen“ werden müsse.
Besonders wird diese Theorie Lügen gestraft durch die Tatsache, dass von den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten 28% tatsächlich erwerbstätig sind, also arbeiten gehen. Deren Zahl hat zwischen 2011 und 2016 um 13% zugenommen.
Zu den „Gründen für eine Hilfebedürftigkeit trotz Erwerbstätigkeit“ schreibt die Verwaltung: „ Nicht zuletzt ist die wachsende Zahl der Leistungsberechtigten, die trotz Einkommen bedürftig bleiben auf ein im Landesvergleich niedriges Einkommensniveau und steigende Mieten und Mietnebenkosten zurückzuführen. Nur rund der Hälfte der Personen, die durch das Jobcenter in Arbeit vermittelt werden, gelingt es, durch ihr Erwerbseinkommen ihre Bedürftigkeit zu beenden. Die andere Hälfte bleibt weiterhin im Leistungsbezug.“ Dies weist auf die Qualität der Arbeitsplätze hin, auf die vermittelt wird: 936 Personen können selbst bei Vollzeitarbeit nicht ohne Hilfe auskommen. Auch bei den Aufstocker*innen gilt im Übrigen, dass fast 2.000 seit mehr als vier Jahren im Leistungsbezug sind.
All diese Zahlen machen deutlich: Die Armutsbekämpfung ist und bliebt in Mannheim eine zentrale kommunale Aufgabe mit Konsequenzen für die Wohnungs-, Bildungs- und Mobilitätspolitik. Die „soziale Stadt“ steht vor großen Aufgaben. Sonst bleibt Mannheim Armutsmetropole.
(Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE)
(Quelle: Vorlage 274/2017 „Jobcenter Mannheim: Zielerreichung und Finanzabschluss 2016 | Zielvereinbarungsprozess und Finanz- und Stellenplan 2017 | Geplante Eingliederungsmaßnahmen 2017“, besonders Seiten 8 – 14).