Das neue Prostituiertenschutzgesetz hält nicht, was es verspricht!

2002 wurde die Prostitution in Deutschland legalisiert, um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Sexgewerbe zu verbessern und den Zugang zur Sozialversicherung zu ermöglichen. Seitdem können Prostituierte als ArbeitnehmerInnen oder als Selbstständige beschäftigt werden. Bis heute haben jedoch wenige Prostituierte einen sozial- versicherungspflichtigen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Der größere Teil der Prostituierten sind als Selbständige tätig. Aufgrund der gesellschaftlichen Stigmatisierung geben sie meisten Betroffenen bei Ämtern und Behörden andere Berufe  an. Durch die Legalisierung 2002 ist die Branche mit der käuflichen Liebe in Deutschland enorm expandiert. Von der freiwilligen und selbstbestimmen Prostitution, ist der Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung (Zwangsprostitution) zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist jedoch schwierig, da viele Grauzonen existieren und der Ausstieg für viele Betroffene sehr schwierig ist.

Ab dem 01. Juli 2017 soll das von der Bundesregierung beschlossene Prostituiertenschutzgesetz, von den Kommunen umgesetzt werden. Besserer Schutz von Sexarbeitenden und die Bekämpfung des Menschenhandels soll das neue Gesetz bringen. Der Rahmen ist vom Bund und den Ländern festgesetzt, daher bleibt den Kommunen kaum Spielraum. Obwohl es zahlreiche offene Fragen gibt und die Umsetzung noch Diskussionsbedarf hat, soll das Gesetz umgesetzt werden. Die Umsetzung in den Kommunen verläuft unterschiedlich. In Mannheim müssen sich alle 189 einschließlich männlicher und transsexueller Personen bereits registriertet und ca. 600 geschätzten SexarbeiterInnen im Fachbereich Sicherheit und Ordnung anmelden und eine Gebühr zahlen. Sie bekommen einen Ausweis mit Lichtbild, der von Ärzten, Polizisten, Behördenmitarbeiter und Bordellbetreiber kontrolliert wird. Außerdem sollen alle Orte an denen die Prostitution erfolgen soll, angegeben werden.  Die Gebühren sollen auch von SexarbeiterInnen, die in prekären Verhältnissen leben, gezahlt werden. Durch die Gebührenordnung ist eine zusätzliche Verschuldung und Kriminalisierung von überwiegend Frauen vorprogrammiert. Voraussetzung für die Anmeldung ist eine gesundheitliche Beratung im Fachbereich Gesundheit. Dort soll in Rahmen einer Beratung Fragen zu Krankheiten, Schwangerschaften und Alkohol- sowie Drogenkonsum geklärt werden. Inwieweit die Betroffenen, bei dieser Beratung wirklich unterstützt werden ist fraglich, da viele der SexarbeiterInnen unter Trauma,   Gewalt Erfahrungen und Suchmittel Abhängigkeit leiden.  Eine qualifizierte Beratung wird durch die von der Stadt geplanten Schulungen der MitarbeiterInnen nicht ersetzt.  Die Kosten für Dolmetscher werden von der Stadt übernommen.

Bis Ende des Jahres sollen alle SexarbeiterInnen sich anmelden. Ansonsten müssen Bußgelder gezahlt werden. Die Verunsicherung auf Seiten der Betroffenen ist groß, da die meisten anonym bleiben wollen. Die Sexarbeit wird unter anderem als Zusatzverdienst um das Studium zu finanzieren, als Escort Service im Nebenjob oder auch aus freiwilligem Interesse angeboten. Es ist daher  fraglich, inwieweit sich alle auch registrieren werden. De Facto führt das Gesetz zu einem „Zwangs-Outing“.  Die Anmeldepflicht gilt auch für 19 „Prostitutionsstätten“ in Mannheim, die eine Gebühr zahlen müssen. Die großen Betreiber werden die Gebühren auf die SexarbeiterInnen  umwälzen und die kleineren Betriebe und Wohnungen müssen für die zusätzlichen Kosten aufkommen.

Während die Grüne Fraktion einen schriftlichen Fragenkatalog mit dem Vorschlag die Gesundheitsberatung in der Frauen-Beratungsstelle „Amalie“ in der Neckarstadt anzubieten einreichte, lehnte die FDP diese Idee ab, da Amalie als Ort in den keine Männer rein dürfen, also auch keine männlichen Prostituierten nicht geeignet ist. Die Linke und der Stadtrat Julien Ferrat von der Familienpartei haben gegen die Beschlussvorlage gestimmt. Die FDP hat sich enthalten. Für die Linke trägt das neue „Prostituiertenschutzgesetz“ der Großen Koalition nur wenig dazu bei, Sexarbeiter/innen zu schützen. Ganz im Gegenteil beschneidet dieses Gesetz allgemeine Persönlichkeitsrechte wie die „Freiheit der Berufswahl“ und die „Unverletzlichkeit der Wohnung“ und wird deswegen von sämtlichen Organisationen und Verbänden von Sexarbeiter/innen abgelehnt.

DIE LINKE im Mannheimer Gemeinderat meint dazu:Wir stimmen für Aussetzen statt Umsetzen und haben der Verwaltungsvorlage der Stadt Mannheim nicht zugestimmt. Ab dem ersten Juli soll das Gesetz in Kraft treten, doch vorher erwarten wir eine rechtliche Einschätzung vom Bundesverfassungsgericht. Wir teilen die Auffassung, dass dieses Gesetz im eklatanten Gegensatz zu den Grundrechten der Sexarbeiter/innen steht und werden nicht zulassen, dass diese entrechtet und bespitzelt werden. Denn um nichts anderes handelt es sich hier, um ein verwaltungsaufwendiges Schikanierungs- und Überwachungsgesetz. Leider stimmten alle anderen Fraktionen der Umsetzungsvorlage zu. Wir hoffen jetzt auf ein bestätigendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen dieses Gesetz“.

In Mannheim haben rund 90% der Sexarbeiter/innen einen südosteuropäischen Migrationshintergrund. DIE LINKE setzt sich für wirksame Mittel im Kampf gegen Armut und Illegalität ein, beispielsweise durch einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt, niedrigschwellige Beratungen und Ausstiegsprogrammen. Auch vor diesem Hintergrund wird das neue „Prostituiertenschutzgesetz“ die Situation der Betroffenen nicht verbessern, sondern weiter prekarisieren.

Gökay Akbulut, Stadträtin DIE LINKE