Wohnungspolitische Strategie der Stadt Mannheim vor einer Neuausrichtung?

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Durch zahlreiche wohnungspolitische Anträge veranlasst, die zunächst fast ausschließlich von der LINKEN kamen, dann aber vermehrt auch von SPD und den Grünen, hat die Verwaltungsspitze im Januar diesen Jahres eine  lang angekündigte Vorlag in den Gemeinderat eingebracht mit dem Titel: „Wohnungspolitische Strategie und 12-Punkte-Programm zum Wohnen für Mannheim (unter besonderer Berücksichtigung der Schaffung zusätzlichen preisgünstigen Mietwohnraums)“. Sie soll am 31.Januar öffentlich im Ausschuss für Umwelt und Technik ausführlich vorberaten werden, als einziges Thema (Stadthaus N1, 16 Uhr, Raum Swansea). Am 14.02. soll dann der Gemeinderat entscheiden.

Die Vorlage ist insofern bemerkenswert, als sie bisherige Positionen der Verwaltung ausdrücklich korrigiert und neue Instrumente zur Erhaltung von preisgünstigem Wohnraum „für breite Schichten der Bevölkerung“ und zur Schaffung neuer Wohnungen für diesen Bereich. Jahrelang hatte die Verwaltung die Position vertreten, es komme hauptsächlich auf die Bereitstellung hochwertiger Wohnungen an, damit Mannheim mehr Haushalte anzieht mit hohem Einkommen, hoher Steuerkraft und guter Nutzung der von der Stadt bereitgestellten kulturellen Infrastruktur. Für die weniger betuchten Menschen habe man ja schließlich die GBG, die das mit ihren 19.000 Wohnungen schon richte. Die das aber bisher auch vor allem nur in einigen wenigen Stadtteilen richtet, sodass die Segregation der Stadtgesellschaft in Mannheim weit fortgeschritten ist. Und seit es keine nennenswerte öffentliche Subvention für den „sozialen Wohnungsbau“ mehr gibt, wurde die Bautätigkeit in bezahlbaren Segment vollkommen  eingestellt, und die einst über 20.000 mietpreisgebundenen Sozialwohnungen schmolzen dahin auf 5.600 Wohneinheiten.

Inzwischen ist klar: Wenn sich der Immobiliensektor „naturwüchsig“ weiter so entwickelt, wie in den vergangenen Jahren, bekommen die „breiten Schichten“ bald kein Bein mehr auf den Boden. Interventionen in dieses Geschehen sind gefordert.

Gravierende Fehlentscheidungen in der Vergangenheit auf allen Ebenen

Pixabay // (co) Antony-x

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Auf Bundesebene gehören zu diesen Fehlentscheidungen (aus Mieter-Sicht, nicht aus Sicht der Anlagefonds) die 1990 in Kraft getretene Abschaffung der Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau und die fast vollkommene Einstellung der öffentlichen Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Nach der 2007 in Kraft getretenen Föderalismusreform ging die Zuständigkeit für die verbliebene Wohnraumförderung vom Bund auf die Länder über. Der Bund zahlt dafür den Ländern immer noch Kompensationsmittel. Baden-Württemberg nutzte diese Mittel, um den   fast ausschließlich den Eigenheimbau zu subventionieren bzw. die Mittel schlicht in andere Kanäle zu leiten. Zwar stellte die Landesregierung zweistellige Millionenbeträge für Landeswohnraumförderung in den Haushalt – die wurden jedoch kaum abgerufen, weil es sich fast ausschließlich um Zinssubventionen handelte, für die kein Wohnungsbauunternehmen eine 30%ige Senkung der Mieten in Kauf nehmen wollte. Auf Mannheimer Ebene schließlich wurde zwar sehr viel Geld mit Hilfe von Bundes-Städtebaufördermitteln in die Sanierung von Stadtteilen wie Schönau und Neckarstadt West gesteckt, aber was Neubau betraf verwies man auf die untaugliche Landesförderung. Auch der andere Weg, Neubauten für bezahlbare Wohnungen über kommunale Grundstückswirtschaft zu subventionieren wurde nicht beschritten. Grundstücksan- und Verkäufe wurden unter Einhaltung städtebaulicher Gesichtspunkte als „heimliche“ Finanzierungsquelle für den Stadthaushalt genutzt, „Hebung stiller Reserven“.

Was soll jetzt anders werden?

„Ziel ist es,“ so schreibt die Verwaltung zusammenfassend, „langfristig in allen Quartieren, sowohl auf der Konversion als auch in der gesamten Stadt, ein möglichst breit gefächertes Angebot unterschiedlicher Wohnungen anzubieten, was sowohl das Preissegment als auch die Wohn- und Eigentumsform angeht. (…) Dazu gehört ein Loslösen des Handelns von den konjunkturellen Zyklen des Immobilienmarktes.“

Dazu gehört zunächst eine Bestandsaufnahme über den mutmaßlichen Neubaubedarf. Denn ein unleugbarer Preistreiber bei den Mieten (und Kaufpreisen) ist das zu geringe Wohnungsangebot. Dabei legt die Verwaltung die Bevölkerungsprognose zugrunde (die durch Migrationsbewegungen allerdings  sehr unkalkulierbar ist), und ermittelt eine Nachfrage von 10.436 Wohneinheiten bis 2025. Davon sollen 1.720 Wohnungen im unteren und mittleren Preissegment bis 7,40 EUR/m² liegen. Das sind gerade mal 17%.

Dreh- und Angelpunkt für das nun immerhin mal aufgeschriebene Ziel 10.000 Wohnungen bis 2015 wird eine Änderung in der Struktur der Landeswohnraumförderung sein. Tatsächlich hat die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Hoffmeister-Krauth (CDU) angekündigt, ab 1. April 2017 endlich auch eine Landeswohnraumförderung auf Basis von Tilgungszuschüssen auf den Weg zu bringen. Damit werden öffentlich geförderte Neubauwohnungen wirklich so gefördert, dass sich daraus auch deutlich niedrigere Mieten ableiten.

Davon wird die GBG (wie auch andere Bauträger) dann reichlich Gebrauch machen. Damit wird der Anteil bezahlbarer Wohnungen auf Franklin z.B. noch einmal steigen können.

Die Stadt folgt in einigen Punkten linken Forderungen

Aber auch im Gestaltungsbereich der Stadt Mannheim soll sich – so die Vorlage – einiges ändern:

  • Das bisher abgelehnte, von der LINKEN schon 2013 in die Diskussion gebrachte Quotenmodell soll nun mit städtebaulichen Verträgen bei Investoren durchgesetzt werden, sobald mehr als 10 Wohneinheiten geplant sind. Die Stadt strebt 25% bezahlbare Wohnungen je Projekt an. Das ist weniger als in München oder Freiburg. Dafür soll es nicht nur bei Bauten auf der grünen Wiese angewandt werden sondern auch bei Baulückenprogrammen und Nachverdichtungen. Damit kämen erschwingliche neue Wohnungen auch in Stadtteile, die davon bisher nicht gesegnet sind.
  • Die Verwaltung empfiehlt dem Gemeinderat ferner, städtische Grundstücke nun bewusst auch im Sinne der Förderung bezahlbaren Wohnraums einzusetzen durch verbilligte Abgabe an spezielle Bauträger (hier können nur solche in Frage kommen, die auch über eine Bindungsfrist hinaus die Mieten stabil halten).
  • Auch der Vorschlag der LINKEN wird aufgegriffen: Baugruppen und Kleingenossenschaften sollen Grundstücke im Erbbaurecht zugewiesen bekommen, für die erst einmal 15 bis 25 Jahre lang zinsfrei gestellt werden. Das erleichtert den Start, weil nicht auch noch für das Grundstück Eigenkapital aufgebracht werden muss. Für die GBG ist Erbbaurecht vorerst nicht vorgesehen. Auch ihr würde es die Bereitstellung neuer erschwinglicher Wohnungen guttun. Denn mit einer Investitions- und Sanierungssumme von zurzeit ca. 100 Mio. jährlich muss sie inzwischen auch auf ihre Eigenkapitalquote schauen, sonst wird es teuer bei Bankkrediten. Erbbaurechte gelten dem Eigenkapital gleichgestlellt.
  • Der Kataster über Baulücken, Brachen und Nachverdichtungsmöglichkeiten soll intensiv mit Architekten und Investoren besprochen werden.
  • Zum Erhalt preisgünstigen Wohnraums soll nun auch die GBG so eingreifen, indem sie in Stadtteilen mit überdurchschnittlichem Mietpreisanstieg versucht Bestandshäuser aufzukaufen, bevor sie in Spekulantenhände geraten. Auch dies eine Forderung der LINKEN, z.B. aktuell für den Jungbusch.

Das reicht alles noch nicht!

Wir schon erwähnt, ergeben all diese Planungen trotzdem nur einen Anteil von 17% bezahlbaren Wohnungen. Die Vorlage listet sie wie folgt auf:

Der geringe Anteil von 17% bezahlbaren Mietwohnungen trotz der angestrebten 25%- Quote resultiert schon allein daraus, dass seit 2010 außerhalb der Konversionsflächen 2260 geplant und gebaut wurden/werden, aber nur 60 preisgünstige. Vertane Chancen. Auf Turley, dem ersten der in Angriff genommenen US-Konversionsgelände, entsteht zwar viel Bemerkenswertes, aber von 650 Wohneinheiten sind gerade mal die 50 Einheiten der drei Mietshäusersyndikatshäuser im preisgünstigen Segment. Auch auf Franklin ist der Anteil gerade mal knapp 19%.

Die Kalkulation der Nachfrage überhaupt wie auch der Nachfrage nach Wohnungen im unteren und mittleren Segment ist im Übrigen fragwürdig. Nicht umsonst wird darauf hingewiesen, dass die Zahlen „ohne Ersatz- und Nachholbedarfe“ kalkuliert sind. Und da ist sicherlich mit 1-2.000 Wohneinheiten zu rechnen. Ferner geht die Kalkulation des Anteils von Menschen mit kleinem und unterem mittleren Einkommen vom Status Quo aus. Tatsächlich aber geht die gesellschaftliche Schere bekanntlich auseinander. Die ArmutsrentnerInnen werden zunehmen, genau wie die Zahl der gut bezahlten Industriebeschäftigten zurückgeht und der weniger gut bezahlte Dienstleistungssektor expandiert.

Dass die Verwaltung jetzt deutlich formuliert, der bezahlbare Mietwohnungsmarkt müsse von den Zyklen, und das heißt v.a. auch von den Spekulationszyklen abgekoppelt werden, ist löblich. Das setzt allerdings voraus, Wohnungsbaugrundstücke nicht mehr beliebig zu verkaufen, sondern vorzugsweise an Bauträger, die nicht pofitorientiert sind. Nur solche Unternehmen wie z.B. die GBG selbst oder auch die meisten Genossenschaften versuchen nicht den jeweils höchsten Marktpreis zu erzielen, sondern die Wohnungen möglichst preisgünstig anzubieten – über den gesamten Lebenszyklus hinweg.

Es ist also in der Diskussion um die Vorlage zur Wohnungspolitik und um die Ausgestaltung der einzelnen Instrumente noch Einiges zu klären!

Thomas Trüper


Wohnungspolitische Initiativen der LINKEN im Mannheimer Gemeinderat

  • Soziale Bodennutzung – Erteilung von Erbbaurechten / Aufkauf von Grundstücken von der MWSP und Dritten – 20 Mio. aus überplanmäßigen Einnahmen verwenden      (A225/2016)

  • Anfrage GBG-Warteliste (A142/2016 à V349/2016)

  • Soziale Mischung Baugelände Sportplatz Rheingoldstraße (A097/2016)

  • Soziale Wohnraumförderung 1,5 Mio EUR/Jahr an non-profit-Bauträger (A617/2015 – Etat)

  • Jungbusch: Eingriff der GBG erforderlich; Runder Tisch – Maß der Modernisierung (A320/2015)

  • Mietpreiskappungsgrenze: Überprüfung des Ausschlusses von Mannheim durch Landesregierung (A208/2015  à V374/2015)

  • Neuausrichtung der GBG: Abrisspolitik einstellen / Quersubvention durch Beteiligung am renditeorientierten Neubauwohnungsmarkt / Kein Ersatz preisgünstiger Wohnungen durch höherwertige Neubauwohnungen / Bedarfserfassung an Mietwohnungen durch Erfassung der Haushaltseinkommen im Verhältnis zum Mietwohnungsangebot nach Preisklassen in MA / Neue Mobilitätskonzepte, Abkoppelung von der Bauordnungs-Vorgabe: je 1 Parkplatz je Wohneinheit durch Nutzung der Öffnungsklausel (A294/2014)

  • BIMA-Gesetz ändern! Resolution: Abgabe für Wohnungsbau zu verbilligten Preisen (A041/2014)

  • Erhöhung der Kommunalen Wohnraumförderung für Wohngruppen um150.000 EUR/a (A626/2013)

  • Sicherung und Vermehrung bezahlbaren Wohnraums in der Gesamtstadt: Akquisition von Fördermitteln / öffentliche Belegungsrechte / Quotierung öffentlich geförderter Mietwohnungen durch kommunale Satzung/ Städtebauliche Verträge mit Auflagen zur Errichtung bezahlbarer Wohnungen) / Prüfung von Milieuschutzsatzungen / Unterstützung von Mietergenossenschaften, u.a. durch Einlage-Darlehen) / Ermöglichung der Errichtung von Sozialwohnungen auch durch kleine Bauträger / Strategie zu deutlichen Erhöhung der Zahl barrierearmer und –freier Mietwohnungen (A147/2013)

  • Anfrage: Bestand und lokale Verteilung bezahlbarer Wohnungen der GBG (A276/2012 à V539/2013)

  • Anfrage zu Möglichkeiten der Schaffung bezahlbaren Wohnraums in Mannheim, Revitalisierung des sozialen Wohnungsbaus (A276/2012)

  • Zwischennutzung von Kasernen für studentisches Wohnen (A329/2011)

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