Der neue Mietspiegel – ein Preisknaller im üblen Sinn

Der Mietspiegel für die kommenden zwei Jahre bildet eine Steigerung des Mietpreisniveaus gegenüber 2016 um 9,4% ab. Die Durchschnitts-Kaltmiete beträgt jetzt 7,71 EUR gegenüber 7,05 EUR/m². im Jahr 2000 lag dieser Wert noch bei 5,05 EUR. Das ist dann eine Steigerung um 53,7% innerhalb 18 Jahren mit deutlich zunehmender Dynamik.

Der Gemeinderat wird diesen Mietspiegel am 4.12. absegnen (müssen). Er ist nach den Regeln des § 558 d (BGB) aufgestellt. In diesem Jahr wurde er aufgrund einer Stichprobenerhebung fortgeschrieben. 2020 muss er dann wieder vollkommen neu ermittelt werden. Als qualifizierter Mietspiegel muss er nach wissenschaftlichen Grundsätzen erarbeitet sein, d.h. das Ergebnis muss bei jeder anderen Stichprobe identisch herauskommen (Reproduzierbarkeit). Außerdem muss der Mietspiegel von den Verbänden der Vermietenden und der Mietenden gebilligt sein.

Der Deutsche Mieterbund und die Partei DIE LINKE laufen schon seit Jahren Sturm gegen die Grundprinzipien eines jeden Mietspiegels, wie sie im BGB festgelegt sind:
Es werden bei den Stichproben nur solche Mietverträge gewertet, die innerhalb der letzten vier Jahre entweder neu abgeschlossen wurden oder deren Mietpreis innerhalb der vier Jahre verändert, und das heißt ja nun mal in aller Regel erhöht wurde. Alle „stehengebliebenen“ Mietpreisvereinbarungen werden nicht gewertet. Damit ist der Mietspiegel ein Mieterhöhungsspiegel. Er gibt nicht das tatsächlich bestehende durchschnittliche Mietpreisniveau wieder. Außerdem sind bei der Erfassung alle öffentlich geförderten (ca. 5.500 Wohneinheiten) oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen mietpreisreduzierten Wohnungen ausgeschlossen sowie alle Ein- und Zweifamilienhäuser. Insofern können bei den Stichproben von den in Mannheim bestehenden ca. 168 Wohneinheiten nur etwa 115.000 Wohneinheiten herangezogen werden. Von diesen freifinanzierten Wohneinheiten hält die GBG ca. 15.600, also 13,5%. Für den Eigentümerverband Haus und Grund ein Aufreger erster Güte. Die GBG „versaut“ nach deren Auffassung mit ihren unter Mietspiegelniveau liegenden Preisen das wirklich gute Geschäft. Statt 9,4% könnten es sonst doch gerne 10 oder 11% sein! (Siehe den Prozessbericht in dieser Ausgabe, wo es genau um diesen Sachverhalt geht).

Obwohl die „Sozialwohnungen“ von der Mietpreiserhebung ausgeschlossen sind, unterliegen sie dem Mietspiegel ganz direkt. Denn ihr Mietzins ist per städtischer Satzung auf den Mietspiegelpreis minus 10% festgelegt. Deren Mieter haben somit eine kräftige Erhöhung zu erwarten.

Was heißt die Mietspiegelerhöhung für die städtische GBG Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH? Sie folgt bei ihrer Mietpreisgestaltung in aller Regel den Mietspiegelpreis-Bewegungen. Sie muss es aber nicht. Das gilt in gegenwärtiger Phase umso mehr, als in den Mietspiegelpreis eine gehörige Portion spekulative Preistreiberei einfließt. Denn bei Wohnungs- / Mieterwechsel kann der Eigentümer nehmen, was der Markt zulässt. Er ist nicht an den Mietspiegel gebunden (das wäre ja eine Form der verhassten Mietpreisbremse). Es ist also vom Aufsichtsrat der GBG dringend zu erwarten, dass er die Geschäftsführung auffordert, diesmal deutlich unter der Mietspiegelerhöhung bleibt. Bisher liegen die GBG-Mieten in der Regel ca. 1 EUR unter dem Mietspiegelniveau. Es wird der künftigen Mietpreisentwicklung in Mannheim guttun, wenn die GBG noch mehr als bisher bremst. Natürlich muss auch die GBG ihre Mietpreise entsprechend ihrer Kostenentwicklung anpassen, will sie nicht an Substanz verlieren, z.B. indem sie Instandhaltungen und Sanierungen runterfährt. Aber die GBG muss nicht an Spekulationsgewinnen mitverdienen!

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE
Aufsichtsratsmitglied GBG

Hauseigentümerverband will Mietspiegel kippen

Extreme Mieterhöhung soll erzwungen werden

Am 23. November 2018 fand vor dem dem Amtsgericht Mannheim ein wichtige Verhandlung statt, die möglicherweise Bedeutung über Mannheim hinaus hat. Es geht darum, wieviel darf ein Hauseigentümer die Miete erhöhen und wieweit ist er durch den Mietspiegel gebunden.

Ein erster Verkündungstermin des Gerichts erfolgt am 15. Januar um 15 Uhr, Amtsgericht Mannheim, Zimmer 228.

Um was geht es?
Eine Hausbesitzerin will die Miete, die schon jetzt oberhalb des qualifizierten Mannheimer Mietspiegels liegt, nochmals um über 15% erhöhen. Die Mietpartei wehrt sich gegen die Mieterhöhung und bekommt rechtlichen Beistand vom Mieterverein Mannheim.
Die Vermieterin wird unterstützt vom Eigentümerverband „Haus und Grund“. Die rechtliche Vertretung übernimmt deren Vorsitzender persönlich, Rechtsanwalt Josef Piontek.

Rechtsanwalt Piontek zweifelt die Rechtmäßigkeit des Mannheimer Mietspiegels an. Die Erhebung des Mietspiegels sei nicht nach wissenschaftlichen Maßstäben erfolgt, sondern politisch motiviert. Mit dem Mietspiegel betreibt die Stadt Mannheim Wohnungspolitik. Ihn stört vor allem, dass die Mietwohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG mit einer Durchschnittskaltmiete von 6,19 € / qm keine marktgerechten Preise abbilde. Der Mietspiegel werde damit künstlich nach unten gedrückt und sei nicht marktkonform. Der neue Mietspiegel ist mit 9,40€ um 3,20€ darüber. Ohne die GBG-Wohnungen wäre der Mietspiegel aber höher. Haus und Grund will die GBG-Wohnungen bei der Berechnung des Mietspiegels am liebsten ganz draußen haben. Hilfsweise argumentiert der Verband aber, dass auf jeden Fall die Gewichtung mit 14% zu hoch sei.

Rechtsanwalt Sauer vom Mannheimer Mieterverein weist das Ansinnen von Haus und Grund als eine „Klage zur Unzeit“ zurück. Jahrelang habe Haus und Grund den Mannheimer Mietspiegel als Richtgröße akzeptiert. Trotz immenser Mieterhöhungen in den letzten Jahren – in Mannheim in den letzten beiden Jahren 9% Mietsteigerung, die zwei Jahre zuvor 7% Mietsteigerung – sei das für Haus und Grund offensichtlich immer noch nicht genug. Haus und Grund instrumentalisiere das Verfahren für seine Interessen und habe schon angekündigt, notfalls auch in die höhere Instanz zu gehen. Dies sei schändlich und so Sauer gegenüber der Presse eine „unschöne Ausformung des Kapitalismus“. Zum Mannheimer Mietspiegel meinte Sauer, dass dieser auf jeden Fall den gesetzlich geforderten Kriterien genüge.

Rechtsanwalt Piontek konterte, dass es Haus und Grund nicht um ein Politikum gehe, sondern einfach um die Korrektheit des Mietspiegels. Rechtsanwalt Sauer fragte im Gegenzug, wenn Haus und Grund die GBG-Wohnungen draußen haben wolle, weil sie angeblich zu niedrig seine, dann müsste nach dieser Logik, auch die überteuerten Mieten, die weit über dem Marktpreis sind, herausfallen. Aber genau das mache Haus und Grund gerade nicht. Deshalb ginge es dem Verband nur um noch höhere Mieten und darum, eine Regulierung der Mietpreise abzuschaffen.

Wie geht es jetzt weiter?
Die Richterin hat angekündigt, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der Klägeranwalt hat schon einmal Bedenken angekündigt, wenn das Gericht den vom Rechtsanwalt des Mietervereins vorgeschlagenen Gutachter, einen renommierten und einschlägig bekannten Experten, bestellen werde. Das Gutachten soll zur Klärung beitragen, ob der qualifizierte Mannheimer Mietspiegel den wissenschaftlichen Anforderungen entspreche. Und damit letztlich die weitere Gültigkeit des Mietspiegels klären.

Der Vekündungstermin über die Bestellung des Gutachters ist am 15. Januar 2019. Das Verfahren ist in der Sache aber hiermit mit großer Wahrscheinlichkeit nicht beendet und wird dann erst richtig losgehen.

Das Verfahren hat in der Tat eine große und übergeordnete Bedeutung. Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes und des Mietervereins Mannheim ist die Erhebung des Mietspiegels, die gesetzlich festgelegt ist, nicht ideal und bedarf einer gesetzlicheb Überarbeitung.

Der Mieterverein stellt fest:
„Der Mietspiegel bildet gemäß § 558c BGB, nicht den gesamten Querschnitt des Mietwohnungsmarktes (Bestandsmieten) ab, sondern nur die Mieten, die innerhalb der letzten vier Jahre erhöht wurden.
Der Mietspiegel schützt die Mieter bei Neuvermietungen vor allzu übermäßigen Mietsteigerungen. Da nur Neumieten der letzten vier Jahre erfasst werden, die Altmieten aber außen vor bleiben, hat der Mietspiegel auf den allgemeinen Mietspiegel aber auch eine preistreibende Wirkung. Damit wird die ursprüngliche Intention des Mietspiegels in sein Gegenteil verkehrt.“

Die Existenz eines Mietenspiegel, so unvollkommen er gegenwärtig ist, wirkt als allgemeine Bremse für extreme Mieterhöhungen.

Umso schändlicher ist nun, wenn Haus und Grund als Interessenorganisation der Vermieter, nun auch eine der letzten Schranken für übermäßige Mieterhöhungen kippen will. Das darf nicht sein!

Roland Schuster