Ein fahrscheinloser, vollständig steuerfinanzierter ÖPNV wäre fast schon eine kleine Revolution in Deutschland. Damit müsste niemand mehr zu Hause bleiben, weil sie/er sich keine Fahrkarte leisten kann. Zudem würde es viel mehr Menschen dazu bewegen, ihr Auto stehen zu lassen (oder besser noch: abzugeben) und sich umweltfreundlicher, lärmreduzierter und platzsparender fortzubewegen. Mit dem heute vorhandenen ÖPNV-System ist das aber kaum zu bewältigen. In den Stoßzeiten morgens und nachmittags sind Busse und Bahnen oft überfüllt, es stehen weder genügend Fahrzeuge oder Infrastruktur noch Personal zur Verfügung, die deutlich steigende Anzahl an Fahrgästen zu transportieren. Ein Ausbau des ÖPNV ist also zwingend notwendig. Das geht zwar nicht von heute auf morgen, ist aber mittelfristig machbar und sinnvoll.
„Wer soll das alles bezahlen?“, fragen Kritiker. Zum einen würden Einsparungen entstehen, weil man keine Fahrkartenautomaten bzw. Verkaufsgeräte und -stellen sowie Entwerter mehr benötigt. Die kostenintensive Ahndung von Schwarzfahrern würde entfallen. In Verkehrsbetrieben und -verbünden könnte das Personal, das heute die Einnahmen aus Fahrkartenerlös sowie Geldflüsse zwischen „Geldnehmern“ (Verkehrsbetriebe) und „Geldgebern“ (Gemeinde, Landkreise etc.) regelt, für andere Aufgaben eingesetzt werden. Zusätzliches Geld könnte man von einer höheren Besteuerung der Autoindustrie bekommen, die mit ihren Fahrzeugen für die schlechte Luftqualität und Umweltschäden eine große Mitverantwortung trägt. Zum anderen darf man aber auch nicht verschweigen, dass ein kostenloser und ausgebauter ÖPNV wahrscheinlich nicht ohne Steuererhöhungen geht – diese müssen und können aber sozial gerecht gestaltet werden, so dass die zusätzliche Belastung niemandem weh tun würde bzw. bei unteren Einkommensgruppen gar nicht bemerkbar sind. Und vielleicht sollte man sich in Zeiten der Nullzinsphase auch mal von der Schwarzen Null verabschieden, um den notwenigen Investitionsschub zu leisten …
PS: Dennis Ulas ist Angestellter in der ÖPNV-Planung – er weiß wovon er spricht. 😉 🙂