Sozialquote für Mannheim – JETZT!

Am morgigen Donnerstag, den 3. Mai 2018, steht im Mannheimer Gemeinderat die Abstimmung über die konkrete Ausarbeitung der sog. Sozialquote an (Vorlage V145/2018). Diese ist Bestandteil des 12-Punkte-Programms für bezahlbares Wohnen, das der Gemeinderat vor etwa einem Jahr beschlossen hat. Die Sozialquote sieht im Kern vor, dass Investoren bei Neubauten ab zehn Wohneinheiten mind. 30 % der Wohnungen zu einem Höchstpreis von 7,50 € pro Quadratmeter vermieten dürfen. Diese Regelung gilt allerdings nur dort, wo ein Bebauungsplan aufgestellt wird, z.B. also auf der Konversionsfläche Spinelli.

Durch den Übertritt von Thomas Hornung von den Grünen zur CDU im vergangenen Herbst haben sich die zuvor knappen Mehrheitsverhältnisse noch einmal verschärft. Daher ist bei der morgigen Abstimmung bei Weitem nicht sicher, dass die Sozialquote eine Mehrheit findet.

„Seit Jahren setzen wir uns im Gemeinderat für die Erhaltung und Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ein. Im 12-Punkte-Programm für bezahlbares Wohnen sind wesentliche Forderungen der LINKEN aufgenommen werden, darunter auch die Sozialquote bei Neubauten. Diese gilt es nun in Mannheim durchzusetzen und verbindlich zur Anwendung kommen zu lassen“, erläutert LINKE-Stadtrat Thomas Trüper.

Seine Kollegin Gökay Akbulut ergänzt: „Zahlreiche Menschen, insbesondere Erwerbslose, Geringverdienende, Rentner, alleinerziehende Frauen und Migranten haben immer größere Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Die Sozialquote kann dabei zumindest ein wenig Abhilfe schaffen. Wer diese ablehnt, wie CDU, FDP, ML und Bürgerfraktion (ehem. AfD) es tun, entscheidet vollkommen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei.“

Dennis Ulas, Kreissprecher der Mannheimer LINKEN: „Die Sozialquote ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, denn Mannheim braucht mehr bezahlbare Mietwohnungen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Preise von Neubauten bei 10 € pro Quadratmeter aufwärts liegen. Das ist für viele Menschen einfach nicht bezahlbar. Allerdings müssen weitere Instrumente eingeführt werden, da der Bedarf an preisgünstigen Wohnungen über die Sozialquote von 30 % alleine nicht gedeckt werden kann.“

DIE LINKE Mannheim ruft alle Befürworter der Sozialquote dazu auf, der Gemeinderatssitzung ab 16 Uhr im Ratssaal in N1 beizuwohnen. Ein frühes Erscheinen wird empfohlen.

„Haus und Gier“ in die Schranken weisen!

„Haus und Grund“, der Gegenspieler des Mietervereins/ Deutscher Mieterbund bringt die liberal-kapitalistische Logik auf den Punkt:
Wohnungen sind Waren, dienen maximaler Profiterzielung und jegliche Regulierung habe zu unterbleiben. In jedem einzelnen Punkt ist ihm vehement zu widersprechen und sind die politischen Vertreter*innen dieser Sichtweise in die Schranken zu weisen.

Wohnungen – wie Grund und Boden – sind kein beliebig vermehrbares Gut, Wohnen ist Menschenrecht und „die Wohnungswirtschaft“ hat vor allem die Verwirklichung dieses Menschenrechts zu gewährleisten. Und da das mit den Euro-Zeichen in den Augen nicht geht, wurden in über 150 Jahren Stadtentwicklungs- und Wohnungsbau-Geschichte und als Ergebnis heftiger sozialer Kämpfe Regulierungen und Maßnahmen zum Schutz des Wohnens der breiten Massen vor nackter Profitgier eingeführt – und leider seit der „Neoliberale“ Wende auch systematisch wieder eingeschränkt und abgeschafft.

So gibt es keine Gemeinnützigkeit mehr in der Wohnungswirtschaft. Es gibt schon längst keine flächendeckende Mietpreisbindung mehr (zuletzt in Berlin 1988 abgeschafft), ebenso wurde der soziale Wohnungsbau systematisch zur Strecke gebracht. Was es noch gibt, sind nicht (primär) profitorientierte Wohnungsbau- und vermietungsträger wie kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und z.B. das Mietshäusersyndikat. Und es gibt immer noch viele private Hauseigentümer, die den Mieter*innen nur bezahlbare Mieten abverlangen und nicht nehmen, was sie in Zeiten angespannten Wohnungsmarktes kriegen können.

Der Mietspiegel bildet – was DIE LINKE schon immer kritisiert – nicht den gesamten Querschnitt des Mietwohnungsmarktes (Bestandsmieten) ab, sondern nur die Mieten, die innerhalb der letzten vier Jahre erhöht wurden. Die paar Sozialwohnungen, die es noch gibt, sind ausdrücklich ausgenommen. Nun regt sich Haus und Grund auf, dass in Mannheim die GBG-Mieten (ca. 19.000 Wohneinheiten) mit ihrem fast durchweg unter Mietspiegel liegenden Niveau die Preise „verderben“.

In Wirklichkeit ist bei der Mietspiegelerrechnung der GBG-Anteil künstlich runtergerechnet worden.

Dass CDU und ML gleich angesichts der Klage von Haus und Grund dagegen, dass die GBG-Mieten überhaupt in den Mietspiegel einfließen,  „Gelassenheit“  oder sogar Zustimmung äußern, macht deutlich: Der politische Kampf für soziale Mieten muss breit und entschieden geführt werden.

Nächste Station ist die Umsetzung des 12-Punkteprogramms in Mannheim. Hier sind die Blockaden des Rechtsblocks schon in die Verwaltungsvorlage eingearbeitet. Entscheidung hierüber im Gemeinderat am 3. Mai 2018. Hier muss Flagge gezeigt werden. Z.B. müssen die Non-Profit-Bauträger deutlich bevorzugt werden. Das fehlt in der Vorlage! Und die städtischen Gesellschaften MWSP und GBG müssen in die Umsetzung verbindlich einbezogen werden. Auch das fehlt.

Thomas Trüper

Der neoliberale Null-Netto-Neuverschuldungs-Fetisch

Vom Säugling, der schon in der Wiege erdrückt wird

Bei jeder Haushaltsberatung gibt es einen Sängerwettstreit von CDU, den Freien Wählern / Mannheimer Liste und der FDP, wer den fetischartigen Widersinn zwischen der Forderung nach Null-Netto-Neuverschuldung und Schuldenabbau bei gleichzeitigen Investitionen und Steuersenkungen am flottesten zelebrieren kann. Meistens gewinnt die ML. In diesem Jahr gebührt der CDU diese Ehre. Fraktionsvorsitzender Claudius Kranz schafft es, seine Haushaltrede um den Säugling der in den Gemeinderat nachgerückten Mannheimer JU-Vorsitzenden Katharina Dörr, seine Ansprüche und seine gewünschte künftige Entwicklung zu ranken.

Dabei widerfährt dem armen Säugling gleich nach der Geburt großes Unheil: „Ein im Jahr 2017 geborenes Kind hat bereits mit seiner Geburt Kämmereischulden der Stadt Mannheim in Höhe von 1.632,10 € geerbt. Das Ziel einer vernünftigen Politik muss es sein diese Verschuldung nicht auf- sondern abzubauen.“

Kampf den Reihenhäusern (und erst recht dem Geschoßbau), vorwärts mit Einfamilienhäusern!

Wie soll das aber geschehen angesichts des oben beschriebenen Fetischs? Gewerbe- und Grundsteuersätze sollten ja am besten abgesenkt werden. Und doch muss irgendwoher die Kohle kommen. Und da hat die Junge Union eine zündende Idee in ihrem Manifest „Mannheim 2025 – sauber, sicher, finanzstark“: Der Kommunale Anteil an der Einkommensteuer soll es richten: „Während das Einkommensniveau in wirtschaftlichen Zentren wie Mannheim oftmals verhältnismäßig hoch ist, weist jedoch oft vor allem das Umland eine überdurchschnittliche Einkommensteuerhöhe je Einwohner auf. Hier zeigt sich die verfehlte Wohnungsbaupolitik der Stadt Mannheim. Ein Fokus auf sozialem Wohnungsbau in Kombination mit nicht vorhandenen Neubaugebieten, strengen Auflagen und kleinen, aber teuren Grundstücken führte dazu, dass sich Besserverdiener und junge Familie oftmals außerhalb der Mannheimer Stadtgrenzen den Traum vom Eigenheim erfüllen. Diesen Trend gilt es, auch mit Blick auf steigende Sozialausgaben, zu stoppen. Die Schaffung hochwertigen Wohnraums, Einfamilienhäuser anstelle von Reihenhäusern oder die Ausweisung großzügiger Grundstücke muss endlich Priorität haben.“ (https://www.ju-mannheim.de/mannheim-2025-sauber-sicher-finanzstark/).

Man mag dies für jugendlichen Ungestüm halten. Aber genau so positioniert sich unter Führung des gerade erst der JU entschlüpften Jung-MdB Nikolas Löbel der CDU-Kreisverband samt Gemeinderatsfraktion. Eine der letzten großen Wohnungsbauflächen am Rande des Konversionsgebietes Spinelli / Käfertal Süd soll genau in diesem Sinne belegt werden. Deswegen greift die CDU vehement die gerade erst mit knapper Mehrheit vom Gemeinderat beschlossene Sozialquote an. Sie dürfe auf keinen Fall für dieses Gebiet gelten. Wenn dann möglichst viele finanziell schlecht gestellte Mannheimerinnen und Mannheimer, die die hier herrschenden Mieten nicht mehr zahlen können, aufs Land ziehen, ist man endlich unter sich, die Sozialausgaben fallen und die Einkommensteuer steigt. Passt! Die Wohlhabenderen sollen die Ärmeren verdrängen – Sozialdarwinismus pur.

Eigentlich ist jedes neugeborene Kind reich!

Schauen wir noch einmal in die Wiege des Neugeborenen: Die CDU hat nicht genau hingeschaut. Das Kind liegt auf einem beträchtlichen Vermögensanteil. Aus den Zahlen des Kämmerers beträgt das Prokopfvermögen der ca. 330.000 Mannheimer*innen ca. 16.600 Euro, die Prokopfverschuldung ca. 7.400 Euro (siehe Grafik „Verbindlichkeiten zum Anlagevermögen“: „Gesamt“). Das Verhältnis ist nicht schlecht! Wenn das Kind groß ist, kann es über demokratische Wahlen (aktiv und passiv) und über „Bürger*innenbeteiligung“ an der weiteren Verwaltung und Gestaltung des kommunalen Vermögens teilhaben.

Das kommunale Vermögen konzentriert sich außerhalb der Direktverwaltung durch den Gemeinderat in Eigenbetrieben und kommunalen Gesellschaften

Wie man der zweiten Grafik entnehmen kann (beide aus der aktuellen Haushaltesrede des Kämmerers), verfügt „die Stadt“ (jeweils linke Säule) mit ihrem „Kernhaushalt“ nur noch über 48% des kommunalen Gesamtvermögens. Die Mehrheit liegt in den Eigenbetrieben (mittlere Säulen) und in den kommunalen Beteiligungen (rechte Säulen). Diese Beteiligungen sind in Mannheim in der Regel noch im rein kommunalen Eigentum, bis auf die MVV Energie AG, an der die Stadt nur noch 50,1% hält. Die Beteiligungen werden nur indirekt durch gemeinderätliche Aufsichtsräte kontrolliert. Fast alle Versorgungs- und Zukunftsaufgaben der Stadt laufen über Beteiligungen und Eigenbetriebe: Energie, Wasser, Abwasser, Wohnen, Schulgebäude, Konversion, Kultur, Klinikum. An der Gesamtverschuldung der Kommune tragen diese Gesellschaften und Eigenbetriebe 75%. Und hier werden – wie soll es auch anders sein – die notwendigen Investitionen mit Krediten finanziert. Die Stadt bürgt für die meisten dieser Kredite. Inzwischen belaufen sich die Bürgschaften der Stadt Mannheim auf über eine halbe Milliarde Euro. So viel zur Null-Netto-Neuverschuldung, dem Fetisch der Neoliberalen kommunalen Finanzpolitik. Wenn die Kommunen entlastet und entschuldet werden sollen, bedarf es einer grundlegenden Rückverteilung von privaten Großvermögen auf den öffentlichen Sektor. Davon lenkt das Verschuldungsgeschwätz ab.

Noch ein Wort zum eingangs erwähnten Sängerwettstreit: Die „Absurde Stimmgabel“ gehört wahrscheinlich doch der ML verliehen, denn sie jammert in ihrer Haushaltsrede, nachdem die Höhe der Steuern beklagt und die Verschuldung des Kernhaushalts verdammt wurde, über einen „Schattenhaushalt“:  „Zur Verschuldung hinzuzurechnen ist der nicht näher bezifferte Sanierungsstau in unserer Stadt. Hier weiß die Verwaltung keinen anderen Weg als über Schattenhaushalte die Finanzierung großer Investitionsvorhaben über ihre städtischen Gesellschaften abzuwickeln. Zu nennen sind hier der Neubau des Technischen Rathauses (GBG), Marchivum (GBG), Grundschule auf Franklin (MWSP), Grünhof (GBG) und die neusten Pläne zum Bau der Stadtbibliothek (Parkhausbetriebe). Der Öffentlichkeit und den Handelnden muss dabei bewusst sein, dass letztlich steigende Mietaufwendungen die Belastung zukünftiger Haushalte, die unserer Kinder und Enkel, enorm erhöhen wird.“ Wie wahr: Statt Miete an eigene Gesellschaften zu zahlen könnte die Stadt auch gleich selber das momentan billige Geld aufnehmen und dann über einen längeren Zeitraum tilgen. Da sind wir wieder beim „Null-Netto-Neuverschuldungsverbot“.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE