Antrag – MAUS weiterentwickeln – Projektstatus von MAUS beenden

Antrag zur Sitzung des Bildungsausschuss am 14.3.2019
MAUS weiterentwickeln – Projektstatus von MAUS beenden

Der Gemeinderat möge beschließen:
Die Koordinationsstelle von MAUS wird von einer halben Stelle auf eine ganze Stelle aufgestockt und entfristet. Die Pauschale für den Verwaltungsaufwand bei den Bildungspartnern wird aufgestockt. Die Ausschreibung soll zukünftig für 4 und nicht wie bislang für 2 Jahre vorgenommen werden. Die Verwaltung stellt dar, wie auch die Ganztagsschulen (Kerschensteiner Gemeinschaftsschule, Bertha-Hirschschule) unter Berücksichtigung der finanziellen Ausstattung des Landes darin unterstützt werden können, so dass diese Schulen wieder an MAUS teilnehmen.

Der komplette Antrag als PDF

Antrag – Geschlechtergleichstellung im  Zukunftsthema Gleichstellung, Vielfalt und Integration

Antrag zum Hauptausschuss am 26.02.2019 TOP 1.1
LEITBILD „MANNHEIM 2030“
Geschlechtergleichstellung im  Zukunftsthema Gleichstellung, Vielfalt und Integration

Der Gemeinderat möge beschließen:
1. Das strategische Ziel im o.g. Zukunftsthema wird wie folgt formuliert (Änderung in fett):
„Strategisches Ziel: Mannheim ist durch eine solidarische Stadtgesellschaft geprägt und Vorbild für das Zusammenleben in Metropolen. Die Geschlechtergleichstellung ist hergestellt. Die Mannheimerinnen und Mannheimer erkennen die Gleichberechtigung vielfältiger menschlicher Identitäten und Lebensentwürfe an.“

2. Der Abschnitt Gleichstellung, Vielfalt und LSBTI wird wie folgt umgestellt:
„Gleichstellung, Vielfalt und LSBTI 2030 ist durch die Umsetzung des Gleichstellungsaktionsplans die Gleichstellung der Geschlechter – insbesondere der Frauen – in Mannheim hergestellt. Auch im kommunalen entwicklungspolitischen
Kontext sind Fragen der Gleichstellung selbstverständlich geworden und werden von uns im ahmen internationaler Initiativen, wie etwa dem Weltfrauentag, thematisiert.
Die Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt wird vollumfänglich gelebt. Im Mannheim 2030 wird kein Mensch aufgrund der sozialen oder ethnischen Herkunft, der Hautfarbe, des biologischen und sozialen Geschlechts, der geistigen, psychischen oder körperlichen Fähigkeiten, des Alters, der sexuellen oder geschlechtlichen Identität, des Geschlechtsausdrucks oder der viel-fältigen Geschlechtsmerkmale, der Religion oder Weltanschauung herabgewürdigt oder diskriminiert.“

3. Das Piktogramm SDG 5 wird bei diesem Zukunftsthema an erste Stelle gerückt

Den kompletten Antrag als PDF

Die Verwaltung beantragt  Aufnahme der Stadt Mannheim in die Liste der Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt

Antrag zur Sitzung des Gemeinderats am 12.03.2019
PREISGÜNSTIGES WOHNEN:
KAPPUNGSGRENZE UND KÜNDIGUNGSSPERRFRIST

Die Verwaltung beantragt Aufnahme der Stadt Mannheim in die Liste der Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt nach §§ 557a (2) und 558 (3) BGB

Der Gemeinderat möge beschließen:
Die Verwaltung beantragt bei der Landesregierung die Überprüfung der Voraussetzungen der Stadt Mannheim für die Feststellung des angespannten Wohnungsmarktes. Ziel ist, auch für Mannheim die Rechtsverordnung zur Absenkung der allgemeinen Kappungsgrenze für Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen (§ 558 Abs. 3 BGB) als auch eine Rechtsverordnung zur Verlängerung der allgemeinen Kündigungssperrfrist bei Wohnungsumwandlungen (§ 577a Abs. 2 BGB) in Kraft zu setzen. Den kompletten Antrag als PDF

Im Amtsblatt: Tschüß bis nach der Wahl! In der Politik: Energisch weiter in den zentralen Themen

Im Amtsblatt herrscht nun die Neutralitätspflicht vor der Gemeinderatswahl. Na dann! Aber die brennenden Themen fordern uns weiter heraus: Zum Beispiel das leidige Thema „Kosten des Wohnens“. Einige der Forderungen, die DIE LINKE in ihren Anträgen in den letzten sechs Jahren gebetsmühlenartig gestellt hat, sind mittlerweile in die Beschlusslage des Gemeinderats und damit in das Verwaltungshandeln eingegangen: Endlich preisgünstige Mietwohnungen bauen bzw. deren Bau veranlassen. Bevorzugte Bedingungen für solche Bauträger, die nicht des Profites wegen bauen, sondern um den Menschen bezahlbares Wohnen zu ermöglichen: GBG, Genossenschaften, Mietshäusersyndikat. Es gibt jetzt viel zu spät (aber immerhin) die 30%-Sozialquote mit Absicherung im Grundbuch (auch eine Forderung der LINKEN). Aber die dafür verfügbaren Flächen werden knapp, trotz Konversion. Soziale Bodennutzung erfordert eine regelrechte Wende in der kommunalen Boden- und Investitionspolitik. Unsre Themen!

Auch an der dringend erforderlichen Verkehrswende bleiben wir dran: Es nützt nichts, gegen Staus zu wettern und wie in den 50er und 60er Jahren alles für den individuellen Autoverkehr zu tun. Die Schlangen werden nicht kürzer, der Parkraum nicht mehr. Es müssen andere attraktivere Fortbewegungsmöglichkeiten angeboten werden: Weiterer Ausbau des ÖPNV, Sharing (teilen) von Verkehrsmitteln. Bisher stehen Autos im Durchschnitt 23 von 24 Stunden still und parken wertvolle Flächen und Freiräume zu. Das Radfahren muss weiter gefördert werden. Der ganze Güter- und Warenverkehr muss innovativ umgestellt werden. Und ja: Die Güter auf der Schiene (was positiv ist) dürfen nicht mitten durch Stadt rattern, und das v.a. nachts! Alternativen müssen entwickelt und vor allem durchgesetzt werden.

Das sind nur zwei der wichtigen Themenfelder. Bildung! Kultur! Klimawende! Alles für alle! Und das sozial gerecht! Wie gesagt: Nicht „Tschüß“ sondern Vollgas.

Wir hoffen, dass die positiven Ansätze der zurückliegenden Kommunalpolitik auch nach der Wahl fortgesetzt werden können. Es gibt auch Kräfte, die das alles ganz anders sehen. Es liegt buchstäblich in Ihrer Hand, liebe Leserinnen und Leser, als Wählerinnen und Wähler die Richtung zu bestimmen. Wir erhoffen einen fairen Wahlkampf, in dem nicht eine Sau nach der anderen durch das (facebook-)Dorf gejagt wird nur um des Aufsehens wegen. Machen Sie bitte von Ihrem Wahlrecht Gebrauch.

Und dies auch bei der Europawahl: Die wesentlichen Themen lassen sich nicht mehr nur national bewältigen: Klimastandards und Emissionsbeschränkungen, sozialer Ausgleich über Landesgrenzen hinweg, humanitäre Bewältigung der weltweiten Fluchtbewegungen und Bekämpfung der Fluchtursachen. Kommunen können sich nur in einem friedlichen, sozialen und ökologischen Europa gut entwickeln. Und 74 Jahre kein Krieg in Mitteleuropa ist ebenfalls ein Verdienst der europäischen Zusammenarbeit.

Alle reden vom Wohnen …

…wir auch. DIE LINKE im Mannheimer Gemeinderat tut dies aber schon seit sechs Jahren und wird dieses Thema auch im Kommunalwahlkampf als einen ihrer Schwerpunkte setzen. Mannheim in der Metropolregion Rhein-Neckar und Universitätsstadt hat (noch) nicht das Mietniveau wie beispielsweise Heidelberg, Freiburg oder die Spitzenreiter Frankfurt oder München. Dennoch liegen die Steigerungsraten der Angebotsmieten in acht Jahren bei über 23%. Der neueste Mietspiegel weist für zwei Jahre eine Steigerung von 9,4% aus. Vor sechs und selbst vor zwei Jahren erklärte der zuständige Dezernent Quast: Mannheim hat keinen angespannten Mietwohnungsmarkt. Inzwischen hat er diese Aussage revidiert. Die zahlreichen Anträge der LINKEN wurden nicht zurückgewiesen sondern „mitgenommen“. In der Tat flossen sie teilweise ein in eine große wohnungspolitische Vorlage ein, das 12-Punkte-Programm für preisgünstiges Wohnen. Diese Verwaltungsvorlage wurde mit denkbar knappster Mehrheit aus SPD, Grünen und LINKEN im Sommer 2017 verabschiedet. Zentraler Punkte sind eine 30%-„Sozial-Quote“ bei Neubauprojekten, aber auch grundsätzliche Feststellungen über verbilligte Abgabe von städtischen Grund und Boden für preisgünstiges Wohnen.

Schon bei den Planungen für die erste große Anwendung dieses 12 Punkte-Programms kam es zu Auseinandersetzungen im Gemeinderat. Es handelt sich um die Konversionsfläche Spinelli (ehemalige US-Kaserne), und diese ist zugleich das letzte große Baufeld, das in Mannheim noch zur Verfügung steht, so lange man nicht in der Peripherie auf die „grüne Wiese“ expandieren möchte. Die Verwaltung plante 2.400 Wohneinheiten, davon 30% im preisgünstigen Segment. Schon im Vorfeld setzte die CDU (inzwischen durch einen Grünen-Überläufer in der Mehrheit) eine Reduzierung auf 1.800 Wohneinheiten durch: Es müssen nach Auffassung der CDU unbedingt „für junge Familien“ flächenzehrende Einfamilienhäuser errichtet werden (ab 0,5 Mio. Euro aufwärts). Die Sozialquote gilt selbstverständlich nur für den Geschoßwohnungsbau. Man sieht: Die Umsetzung selbst eines beschlossenen (bescheidenen) 12-Punkte-Programms ist jedes Mal eine Machtfrage.

Welche Strategie fährt DIE LINKE in Mannheim in Sachen preisgünstiges Wohnen?

Zunächst ein paar Grunddaten zum Wohnungsmarkt in Mannheim: Mannheim hat ca. 166.000 Wohneinheiten und etwa 173.000 Privathaushalte; 51% davon sind Single-Haushalte. Die Mietquote beträgt ca. 75%. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG verfügt über 18.800 Wohneinheiten, davon 96% unter 8,00 Euro/m². Der Mannheimer Mietspiegel-Durchschnittspreis beträgt 2018 (bei 80 m²) 7,53 Euro/m². Die Stadt selber verfügt über keine Wohnungen mehr. Es gibt Genossenschaften mit z.T. sehr billigen Wohnungen (ca. 7.000) und es gibt natürlich Vonovia mit ca. 4.000 Wohneinheiten, die im Laufe der letzten Jahre i.d.R. um einen Euro/m2 verteuert wurden. Alle Wohnungsneubauten bis 2017 erfolgten ohne öffentliche Förderung und liegen bei Mietpreisen. Von den preisgünstigen Wohnungen der GBG gingen aufgrund unterschiedlichster Faktoren bis 2017 1.000 verloren.

Von den derzeit freien 280 ha US-Konversionsgeländen ist das größte für Wohungsbau vorgesehene Gelände (FRANKLIN) bereits vor dem 12-Punkteprogramm verplant worden. Dennoch sollen hier etwa 1.000 Wohnungen im preisgünstigen Segment entstehen. Der Kampf um Spinelli ist im Gange (s.o.). Die Flächen gingen und  gehen zu Marktpreisen von der BIMA auf eine städtische Entwicklungsgesellschaft über (MWSP GmbH). Erst in 2018 machte die Bundesregierung den Weg frei für stark verbilligte Abgabe an Bauträger des sozialen Wohnungsbaus. Davon werden erstmals ca. 200 Wohneinheiten auf dem kleinen Konversionsgelände Hammonds Barracks profitieren.

Entscheidend ist hierbei die Frage, wer der Bauträger sein wird. DIE LINKE fordert seit Jahren, dass die Kommune und ihre Gesellschaften non-profit-Bauträger bevorzugen soll. Dies wird hier nun erstmals geschehen. Das Mietshäusersyndikat (MHS) wird einen kleineren Teil des fraglichen Baufeldes übernehmen (entsprechend der derzeitigen Leistungsfähigkeit der MHS-Projektgruppe). Den Rest wird die GBG übernehmen, eventuell auch eine Genossenschaft. Alle werden zur Senkung der Gestehungskosten Landeswohnraumförderung in Anspruch nehmen und somit „Sozialwohnungen“ erstellen. Die Berechtigungsgrenze wurde in Baden-Württemberg deutlich heraufgesetzt, um tatsächliche „breiten Schichten der Gesellschaft“ den Zugang zu geförderten Wohnungen zu ermöglichen. Dieses Beispiel gilt es zu als Regelfall zu fordern. Der Vorteil gegenüber profitorientierten privaten Bauträgern ist, dass selbst nach Auslaufen der Preisbindungsfrist (15 bis 25 Jahre) die Bauträger aufgrund ihrer Selbstbindung in aller Regel die Mieten nicht auf Marktniveau anheben.

Damit solche Modelle funktionieren, kommt es ebenfalls entscheidend auf die Kontrolle über potenzielle Baugrundstücke an. Gehören die Grundstücke Privaten, kann die Kommune diese zwar zu sozialem Wohnungsbau zwingen, aber nur wenn die Bauträger auf die Erteilung neuen Baurechts angewiesen sind. Dann lässt sich über städtebauliche Verträge mit der Auflage, eine Sozial-Quote zu erfüllen (in Mannheim zurzeit 30%) trefflich verhandeln, zumindest, solange die Betongold-Konjunktur so brummt wie bisher. Diese Fälle halten sich aber in Grenzen, da in Städten fast überall bereits Baurechte bestehen. Spinelli (s.o.) ist noch die größte Fläche, auf der erst neues Baurecht erteilt werden, und damit die Möglichkeit der Umsetzung der Sozialquote möglich ist.

Ein weiterer üblicher Weg zur Umsetzung der Sozialquote ist der Verkauf städtischer Grundstücke an Private, die über städtebauliche Verträge gezwungen werden zu „spuren“. Damit freilich gibt die Kommune die Kontrolle über das Grundstück auf. Beim Kämmerer sind solche Transfers jedoch sehr beliebt, heben sie doch die stille Bodenwertreserve, insbesondere in Zeiten der stürmischen  Preissteigerungen. Im Mannheimer Stadthaushalt sind solche Außerordentliche Erträge von jährlich 10 Mio. Euro fest eingeplant. Davon wird sich die Stadt verabschieden müssen. Bei den letzten Haushaltsberatungen hatte die LINKE beantragt, 10 Mio. Euro aus den überplanmäßigen Steuereinnahmen zum Ankauf von wohnungsbaugeeigneten Grundstücken zu verwenden, um sie gemeinwohlorientierten Bauträgern auf dem Wege von Erbbaurechten zu minimalem oder Null-Zins zur Verfügung zu stellen. Dies würde insbesondere Bauträgern aus dem MHS zu weniger Eigenkapitalbedarf verhelfen. Das Gleiche gälte auch für junge Genossenschaften und selbst für die GBG. Und es dürfen gerne auch deutlich mehr als 10 Mio. Euro sein.

Ein weiteres nicht zu vernachlässigendes Thema ist auch die Sicherung von immer noch vorhandenen preisgünstigen Wohnen in privaten Bestandshäusern. Hier verlangt die LINKE ebenso schon seit Jahren einen aktiven Einstieg der GBG in den Erwerb von Bestandsgebäuden und insofern eine Änderung der GBG-Strategie. Hier ist es oft wichtig, bei z.B. altersbedingt verkaufswilligen Eigentümer*innen, die durchaus nicht immer die Dollarzeichen in den Augen haben, als Erste „auf der Matte zu stehen“. Jedes so erworbene und maßvoll bewirtschaftete Mietshaus ist ein Beitrag gegen die Gentrifizierung und minimal auch zur Dämpfung des überhitzten Marktes. Um hier aktionsfähig zu sein, bräuchte die GBG eine Kapitalerhöhung von der Stadt. Auch davon wird im Wahlkampf zu reden sein. Und es sind noch einige andere Maßnahmen, die auf kommunaler Ebene ergriffen werden können, die an dieser Stelle den Rahmen sprengen würden.

DIE LINKE wird in Mannheim den Kommunalwahlkampf dazu nutzen, das inzwischen bei fast allen Parteien vorhandene Gerede über mehr Wohnungen und billigere Mieten in die Richtung zu drängen, dass wirklich effektive und nachhaltig wirksame Maßnahmen diskutiert werden –nicht nur von der LINKEN, und am Ende, nach der Wahl, auch noch umgesetzt werden.

Wo sind die Mieterbewegungen?

In Städten mit absolut durch die Decke gegangen Mietpreisen wie Berlin, Frankfurt, Hamburg oder auch Freiburg gibt es beachtliche Mieter*innenbewegungen. Sie entzünden sich häufig an bestimmten eklatanten Fehlentscheidungen kommunaler Verwaltungen oder an besonderen Unverschämtheiten privater Bauträger. So gab es in Mannheim 2014/15 eine beachtliche Miter*innenbewegung, die sich gegen den damaligen Beschuss der GBG richtete, ein ganzes Quartier aus den 1950er Jahren (Adolf-Damaschke-Ring) mit preiswerten Wohnungen abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen, ohne öffentliche Förderung und damit ohne Mietpreisbindung. Die Mieten hätten dann statt ca. 6 Euro/m² 11,50 Euro gekostet. Dagegen gab es eine kräftige und erfolgreiche Mieter*innenbewegung. Es herrschte gerade Wahlkampf – eine gute Erfolgsvoraussetzung.

Die Probleme und Themen haben sich seither verschoben und verlagert. Die GBG hat inzwischen ihre Strategie hinsichtlich des Abbruchs von sanierungsbedürftigen Wohnhäusern geändert und saniert oder nimmt bei Ersatzbauten die inzwischen erweiterte und tatsächlich brauchbare Landeswohnraumförderung in Anspruch und kommt so zu Nettomieten von 7,50 Euro/m².

Thomas Trüper

Thomas Trüper: Noch einmal zur BDS-Kampagne und der Gegenkampagne

Die Verabschiedung einer Resolution des Mannheimer Gemeinderates gegen die BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel) und meine Zustimmung und Erklärung als Stadtrat der LINKEN im Gemeinderat haben bundesweite Reaktionen ausgelöst, die das ganze Spektrum linker Positionen zum Israel-Palästina-Konflikt abbilden: Harsche Verdammung der Resolution als Schlag gegen das palästinensische Volk bis Kritik daran, dass die Anti-BDS-Resolution nicht einfach kommentar- und damit rückhaltlos unterstützt wurde. Die Position der LINKEN im Mannheimer Gemeinderat möchte ich daher noch einmal – unter Berücksichtigung der ganzen Kompelxität des Konflikts – herleiten und begründen. Es wäre begrüßenswert, wenn zumindest auf örtlicher Ebene, ein konstruktiver Dialog zum Ziel „Frieden in Nah-Ost“ wieder in Gang käme. Die Mannheimer Friedensbewegung hat schon vor Jahren den Diskurs eingestellt, und sich (nach dem Einbruch in Folge des Balkankriegs) weiter dezimiert. Äußerungen erfolgen nur noch von einzelnen Menschen, die sich der Friedensbewegung zurechnen (wie ich persönlich ja auch).

  1. Der Staat Israel ist ein Ergebnis von Fluchtwanderung jüdischer Bevölkerung vor europaweiter antisemitischer Diskriminierung, vor Pogromen (v.a. Zarenreich und auch UdSSR) und schließlich vor dem nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen der Shoah.
  2. Der Zionismus wollte ursprünglich eine „Heimstatt“ für Jüd*innen schaffen, in der alle Menschen frei von Diskriminierung und Repression leben können sollten. Diese emanzipatorische Idee scheiterte von Anfang an. Die jüdische Besiedelung war konfliktreich und konfrontativ, der Widerstand der arabischen Bevölkerung massiv.
  3. Tragischer-, aber vielleicht unvermeidlicherweise bildeten die rassistischen Ausgrenzungskriterien des Antisemitismus in Umkehrung auch die Grundlage für die Zugehörigkeitskriterien des neuen Staates Israel, für das Staatsbürgerschaftsrecht derer, die sich nach Palästina retten konnten –  zuletzt von der Netanjahu-Regierung auf die Spitze getrieben durch die Definition des Staates Israel als „Nationalstaat für jüdische Menschen“ im Juli 2018, als Schutz vor demografischer „Überfremdung“.
  4. Der Staat Israel war schon vor seiner Gründung als britisches Mandatsgebiet Bezugspunkt für imperialistische „Neuordnungen“ des Nahen und Mittleren Ostens und blieb es, von der Zerlegung des Osmanischen Reichs bis hin zu den Golfkriegen und aktuell dem Syrienkrieg, nicht nur passiv, sondern auch höchst aktiv und fest dem „Westen“ verbunden. Der Widerstand hiergegen seitens der Anrainer verband sich von Anbeginn auch mit dem Widerstand der Palästinenser gegen den Siedlerstaat.
  5. Der 1977 angestoßene Friedensprozess ist mittlerweile fast völlig zum Erliegen gekommen. Alle israelischen Regierungen seit Ehud Olmert verschärften die Konfrontation mit Militäraktionen (z.B. Libanon, Gaza) und stetiger Fortsetzung der Siedlungspolitik. Eine Zweistaatenlösung erscheint aufgrund der Siedlungspolitik ebenso obsolet wie die Vision eines einheitlichen, demokratischen Staatswesens in Israel/Palästina auf Basis vollkommener Gleichberechtigung aller Bewohner*innen des Staatsgebiets und Herstellung gleicher Lebensbedingungen.

  6. Deutschland hat aufgrund der Shoah eine dreifache Verantwortung in der Region: Das konfliktreiche Ergebnis der massenhaften Fluchtbewegung vor der NS-Vernichtungsstrategie muss historisch anerkannt werden: „Existsenzrecht Israels“. Zweitens ist anzuerkennen, dass die arabische Bevölkerung Palästinas und ihre Nachfahren keinerlei Schuld an der Shoah und ihren Folgen tragen, aber zu tiefst davon betroffen sind. Deutschland muss daher auch für das Lebensrecht und die Würde der Palästinenser in der Region eintreten, also aktiv für die Zwei- oder Einstaatenlösung, auf jeden Fall für Deeskalation und Versöhnung und für die wirtschaftliche Entwicklung aller Gebiete – kurz: für Frieden. Dazu muss die Überwindung des aus der Vertreibungs- und Fluchtsituation entstandenen ethnisch-exklusiven und religiös fundierten vormodernen Staatsverständnisses und Staatsbürgerschaftsrechts Israels unterstützt werden. Gleichzeitig muss die wirtschaftliche Entwicklung und Demokratisierung der Palästinensergebiete unterstützt werden. Beides setzt beidseitigen Verzicht auf kriegerische Maßnahmen und gegenseitige Vertrauensbildung voraus. Dazu gehören das Ende der Siedlungspolitik und v.a. auch die Aufhebung der Gaza-Blockade und damit auch die Befriedung eines riesigen Verzweiflungs- und
  7. Hasspotenzials. Auch hier hat Deutschland eine historische Verantwortung.
  8. Eine linke Position in Deutschland zu diesem Konflikt kann nur heißen, dafür zu sorgen, dass diese besondere deutsche Verantwortung wahrgenommen wird – wenn sie auch noch so utopisch anmutet.
  9. Die traditionelle linke Palästina-Solidarität der 70er Jahre, die den Palästinakonflikt mit den gleichzeitigen Dekolonisierungskriegen in Afrika und den Befreiungskriegen in Südostasien gleichsetzte, negierte wesentliche Aspekte der israelisch-palästinensischen Problemlage. Einige Akteure praktizieren dies auch noch nach 40 Jahren so.

  10. Den arabischen Widerstand gegen den Staat Israel und die daraus resultierenden  politischen Frontstellungen, die sich bis in die Großstädte Mittel- und Westeuropas hineinziehen, als genuin „antisemitisch“ zu bezeichnen, ist eine Verdrehung der Tatsachen und Verharmlosung des europäischen Antisemitismus. Dieser resultierte nicht aus dem Zusammenstoß unterschiedlicher Völker, sondern aus inneren Widersprüchen der Gesellschaften selbst. Er richtet/e sich willkürlich gegen Angehörige der eigenen Gesellschaft und macht/e sich an religiösen, sprachlichen und kulturellen „Merkmalen“ fest, aus denen ein Recht auf Diskriminierung, Verfolgung und Tötung abgeleitet wurde/wird.
  11. Ebenso abwegig sind Versuche des „antideutschen“ Lagers, sich der historisch überkommenen Verantwortung gegenüber Israel und Palästina durch den Kurzschluss zu entledigen, Antifaschismus bedeute heute einfach, jede noch so krude Wendung der Politik der Israelischen nationalreaktionären Regierungen zu akzeptieren.
  12. In der israelischen Gesellschaft selbst gibt es seit jeher Bewegungen, die sich gegen die ethnische Dominanz der jüdischen Bevölkerungsteile und für Ausgleich mit der arabischen Bevölkerung einsetzen, die davon ausgehen, dass es Sicherheit und Frieden für die Menschen in Israel / Palästina nur auf Basis eines Friedensprozesses geben kann. Diese Kräften bedürfen internationaler politischer Unterstützung. Gleiches gilt für nach Ausgleich strebende Kräfte auf palästinensischer Seite.
  1. BDS-Kampagne ist immerhin ein nicht-militärischer Versuch von Teilen der palästinensischen Gesellschaft, internationalen Druck auf Israel auszuüben. Als Boykott richtet sich die Kampagne jedoch nicht nur gezielt gegen die Regierung, sondern gegen den gesamtaen jüdischen Teil der israelischen Gesellschaft auf den Gebieten der Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur und trifft am Ende auch noch „kollateral“ palästinensische Teile der israelischen Gesellschaft. Er greift das ethnizistische Staatsverständnis Israels auf und differenziert nicht nach den Positionen, die die unterschiedlichen Teile dieser Gesellschaft im Israel/Palästina-Konflikt einnehmen. Er trifft auch die Kräfte, die aus Israel heraus versuchen, Brücken der Veständigung und praktischen Versöhnung zu bauen.
  2. BDS-Kampagne in Deutschland weckt eine fatale Boykott-Erinnerung aus der NS-Zeit. Da helfen alle gegenteiligen Beteuerungen nichts. Man muss die Kampagne in Deutschland v.a. auch daran messen, wie sie „rüberkommt“ und welche fatale Anhängerschaft sie hierzulande – sicher ungewollt – ebenfalls mobilisiert. Der Antisemitismus in Zeiten der „rechtspopulistisch“ bis unmittelbar faschistischen Mobilisierung ist ein gravierendes Thema, wenn auch nicht alles tatsächlich antisemisch ist, was von interessierten Kreisen als solches gegeißelt wird. Die israelische Regierung fährt im Ringen um internationale Unterstützung für ihren reaktionären Kurs eine offensichtliche PR-Kampagne, die der ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus schadet. So ist die unangemessen aufgeregte Gegenkampagne gegen die BDS-Kampagne, die vor allem bundesweit an den Hochschulen und eben in manchen Kommunen (wie z.B. Mannheim) Wellen schlägt, sicherlich Ergebnis auch dieser Strategie. Vor die Frage gestellt, ob man für oder gegen die BDS-Kampagne ist, kann ich mich als Linker in der BRD nur gegen diese Kampagne stellen.
  3. Die linken Kräfte und die Friedensbewegung in Deutschland haben m.E. eine viel wichtigere Aufgabe: Die Bundesregierung tagtäglich in die Pflicht zu stellen, auch auf europäischer Ebene Druck gegen diejenigen Elemente der gegenwärtigen israelischen Regierungspolitik aufzubauen, die immer neues Benzin ins Feuer schütten, wie z.B. die Fortsetzung der Siedlungspolitik, die Abriegelung des Gazastreifens, die Mauer im Osten und die zunehmende Diskriminierung der Palästinenser*innen in Israel (Staatsbürgerschaftsrecht). Notwendig wäre ein Marschallplan für die palästinensischen Gebiete.
  4. Zur Situation in Mannheim: Die Stadtgesellschaft umfasst einen hohen Anteil an Bewohner*innen unterschiedlichster Herkunft, auch aus solchen Ländern, die starke innere Konflikte haben oder mit anderen Ländern im Konflikt leben. 20% der Mannheimer*innen kommen beispielsweise aus der Türkei einschließlich der kurdischen Provinzen. Die Konflikte in den Herkunftsländern beschäftigen natürlich auch die eingewanderten Menschen. Es gibt auch wieder eine wachsende jüdische Gemeinde mit starker Immigration aus Russland, und es gibt eine große arabische Community. Es ist von grundlegender Bedeutung für eine Stadt wie Mannheim, dass all die Konflikte, die auch hier erlebt werden, nicht hier ausgetragen werden. Als Verständigungsplattform hierfür wurde die Mannheimer Erklärung von allen relevanten Kräften unterschrieben und wird auch gelebt.
  5. Mannheim pflegt eine sehr lebendige Städtepartnerschaft mit Haifa. Das Narrativ dieser Stadt hebt ein für israelische Verhältnisse sehr positives Zusammenleben verschiedener Ethnien und Religionen hervor. Ich unterstütze diese Städtepartnerschaft aktiv. Gleichzeitig und in Absprache mit Haifa unterhält Mannheim eine ausbaufähige Verwaltungskooperation mit Hebron. Hier wird u.a. die Errichtung einer modernen Abwasserentsorgung in praktischem Austausch unterstützt. Es sind solche Projekte, in denen nach meiner Überzeugung die Kristallisationspunkte einer Friedensentwicklung liegen, wenn es denn eine solche überhaupt noch geben kann, wofür der Kampf niemals aufgegeben werden darf.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE Mannheim

Gemeinsamer Resolutionsantrag von SPD, CDU, Grünen, ML, LINKE, und FDP am 18.12.18 verabschiedet: Kein Platz für die antisemitische Boycott, Divestment and Sanctions (BDS)-Bewegung in Mannheim

„Oberbürgermeister und Gemeinderat der Stadt Mannheim verurteilen die antisemitische undantiisraelische BDS-Kampagne und die Aufforderung zum Boykott von israelischen Künstlern, Wissenschaftlern, Waren und Unternehmen aufs schärfste. Sie erinnert an den Aufruf der Nationalsozialisten „Kauft nicht bei Juden“ und somit an die dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte. Die BDS-Kampagne verstößt außerdem gegen den Geist und Buchstaben der „Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“. Sie verpflichtet die Stadt Mannheim in der Pflicht, Aufrufen „zu Hass, Gewalt und Ausgrenzung“ entgegenzutreten.

Jegliche Form von Antisemitismus wird in Mannheim nicht geduldet. Oberbürgermeister und Gemeinderat der Stadt Mannheim begrüßen und unterstützen daher den von den Fraktionender CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen eingebrachten Beschluss des Deutschen Bundestages vom 17. Januar 2018, „der weltweiten Bewegung „Boycott, Divestment, Sanctions“ entschlossen entgegenzutreten“. Dem Wortlaut des Bundestagsbeschlusses folgend bekennt sich die Stadt Mannheim zur besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels gelten für uns voraussetzungslos. Sie ruft alle Mannheimer Bürgerinnen und Bürger, Konfessionen, Vereine, Vereinigungen undalle anderen öffentlichen Akteure in unserer Stadt auf, sich dieser Haltung anzuschließen.

Die Stadt Mannheim bekennt sich zu der tief empfundenen Freundschaft zu Israel und setzt sich auch weiterhin für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes ein.

Für DIE LINKE gab Stadtrat Thomas Trüper folgende Erklärung zu Protokoll: „DIE LINKE bringt diese Erklärung gegen die antisemitische BDS-Bewegung wie ersichtlich mit ein. Den außerordentlich schwierigen Friedensprozess mit einer rassistischen Boykottkampagne zu unterminieren, ist zu absolut verwerflich.

Der Friedensprozess hat jedoch viele politische Gegner, auch bei Politiker*innen im Staate Israel selbst. In Verantwortung für den Frieden und für ein sicheres Leben aller Menschen in Israel und in der Region kritisieren wir alle Maßnahmen, die geeignet sind, den Friedensprozess zu stören – von welcher Seite auch immer. Außerdem verwahren wir uns gegen Versuche, jegliche Kritik an der aktuellen Politik der israelischen Regierung als „antisemitisch“ zu diskreditieren.

Wir wissen uns hierbei einig mit über 30 israelischen Wissenschaftler*innen, die am 20. November in einer gemeinsamen Erklärung der EU-Ratspräsidentschaft volle Unterstützung im Kampf gegen Antisemitismus zusicherten, aber warnten: „Europa sagen wir: Vermischt Kritik an Israel nicht mit Antisemitismus.“

Die Resolution wurde vom Gemeinderat gegen die Stimme des NPD-Vertreters Hehl und unter Enthaltung des Stadtrats Ferrat mit großer Mehrheit angenommen.Red.

Baufeld 2 auf Hammonds wird für gemeinwohlverpflichtete Bauträger erworben

Baugemeinschaften wie das Mietshäusersyndikat, Genossenschaften und die GBG können damit rechnen, auf Hammonds das Baufeld 2 günstiges Bauland bzw. Bestandsgebäude zu bekommen, um im Geschoßwohnungsbau durch Sanierung oder Neubau preisgünstige Wohnungen für bis zu 500 Menschen zu erstellen.

Der Gemeinderat hatte in seiner letzten Sitzung vor Weihnachten einer Verwaltungsvorlage zugestimmt, der zufolge die Stadt bzw. einer ihrer Töchter GBG oder MWSP der BIMA (Grundstücksverwalterin der Bundesregierung) das Baufeld 2 abzukaufen zu den neuerdings für diese Zwecke verminderten Preisen. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für preisgünstiges Bauen gegeben.


Die Verwaltungsvorlage war die Reaktion auf drei im Wesentlichen gleichlautende Anträge der SPD, der Grünen und der LINKEN. DIE LINKE hatte bereits vor zwei Jahren gefordert, die Stadt solle Grundstücke für preisgünstigen Mietwohnungsbau erwerben (A225/2016). Insofern ist dies nun eine erste Umsetzung dieses Vorschlags.


Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE

2019 und 2020 Anspruch auf 20 statt 10 Sozialtickets

Die LINKE erreicht einen positiven Nebeneffekt der „Modellstadt Mannheim“ und des Green CityTickets: Inhaber*innen des Sozialpasses erhalten in den kommenden zwei Jahren pro Person und Monat vier statt zwei Fünfer-Blöcke Einzelfahrscheine, zum unveränderten Preis von 1,00 EUR je Einzelfahrschein. 10 Fahrten hin und her statt der dürftigen fünf!

Hintergrund: Zum 1. Januar 2019 sinken die ÖPNV-Preise in Mannheim und teilweise auch Ludwigshafen um durchschnittlich 30%. Dadurch sollen mehr Autofahrer*innen in Busse und Bahnen gelockt werden, um so den NOx und CO2 – Ausstoß in Mannheim zu verringern und Diesel-Fahrverboten zu umgehen.

DIE LINKE hatte im Gemeinderat mit Antrag 302/2018 im September darauf hingewiesen, dass das Subventionsbudget für 75.000 Fünferblöcke nach der Preissenkung für 150.000 Blöcke reicht. Diese Vergünstige müsse an die Leistungsberechtigten weitergegeben werden. Die Verwaltung hatte seinerzeit zugesagt, den Vorschlag zu prüfen. Seither war nichts mehr davon zu hören. DIE LINKE fragte deshalb zu Ende der letzten Gemeinderatssitzung den Oberbürgermeister, wie sich denn die Verwaltung nun entschieden habe. Nach kurzer Beratung zwischen OB und Finanz- und ÖPNV-Dezernent Christian Specht (CDU) gab dieser bekannt:

Jawohl, man werde so wie im Antrag gefordert verfahren. Hätte er natürlich auch ohne Nachfrage verraten können. Nun müssen „nur“ noch die Sozialticket-Berechtigten informiert werden!

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE

Antrag_Verdoppelung_der_Sozialtickets

Taxibetrieb vor die Wand gefahren? 47 Taxler*innen stehen auf der Straße…

… und dies auch im wörtlichen Sinn: Vor dem Mannheimer Rathaus steht am Montag, 3. –Dezember, eine größere Gruppe teils verbal erregter Personen, die Einlass in das Rathaus begehren. „Wir wollen zum Bürgermeister – so eine Unverschämtheit!“ Die Gruppe wird überragt von einer sehr großen Person, die die Regie führt. Es stellt sich auf Nachfrage heraus, dass hier die Belegschaft eines – nach eigenen Angaben des größten – Mannheimer Taxiunternehmens samt ihrem Chef, dem Eigentümer der Firma, unterwegs sind. Ein namentlich nicht gekennzeichnetes Flugblatt gibt nähere Auskunft – es klingt nach Chef: „Stadtverwaltung Mannheim verweigert größtem Taxibetrieb Mannheims die Wiedererteilung der Taxikonzessionen. 21 Taxis, 47 Mitarbeiter, seit 37 Jahren in Mannheim als Taxiunternehmen tätig.“
Das Flugblatt endet mit einem überdimensionalen „Warum???“

Die Taxikonzessionen seien am Freitag, 30.11.2018 u Mitternacht ausgelaufen, „Dadurch verlieren 47 Mitarbeiter einen sicheren Arbeitsplatz und werden kurz vor Weihnachten arbeitslos. Die Vorgehensweise der Stadt Mannheim ist begründet mit einem aus dem Jahre 2008 bis 2010 bestehenden Vorwurf der unternehmerischen Unzuverlässigkeit im Bereich der Lohnbuchhaltung.“

Worauf denn dieser Vorwurf genau beruhe, wird der Unternehmer gefragt.„Ich hatte meinen Leuten damals mehr Lohn ausgezahlt, als ihnen eigentlich zustehen würde – davon kann man ja nicht leben“, antwortet der Unternehmer, der sich offensichtlich als Wohltäter begreift. Rein juristisch betrachtet heißt diese Aussage jedoch „Sozialversicherungs- und Steuerbetrug“. Er hat schlicht Schwarzzahlungen geleistet, was in der Rentenversicherung der Beschäftigten natürlich zu Rentenanspruchsminderungen führt – nicht eben ein Kavaliersdelikt. Er habe jedoch, beteuert der Unternehmer, längst die (unterschlagene) Summe nachgezahlt. Ihm sei vollkommen rätselhaft, warum acht Jahre nach Begleichung der Schuld und der damaligen Wiedererteilung der Zuverlässigkeitsbescheinigung „jetzt die Nicht-Wiedererteilung mit dieser sozialen Härte zu diesem Zeitpunkt durchgesetzt werden soll.

“Was den Unternehmer noch empört, „ist die Tatsache, dass auch unserem Gleichzeitig gestellten Antrag auf Übernahme des Taxibetriebes durch Verkauf des ganzen Betriebes an unseren Sohn und damit Betriebsnachfolger, nicht entsprochen wurde.“ Die Belegschaft hat das Nachsehen – Probleme im Kleinbetrieb Dem Betrachter Szene drängen sich Fragen auf: Gab es in den letzten acht Jahren tatsächlich keine Beanstandungen? Warum hat der Unternehmer, wenn er sein Geschäft nicht mehr betreiben kann, keinen Antrag auf Insolvenz gestellt? Sollte dies dann der durch Kauf (nicht durch Übertragung der Anteile als Vorerbe!) überschuldete Sohn machen?

Warum wurde keine Massenentlassung beim Arbeitsamt gemeldet? Dass es keinen Sozialplan gibt, ist in dieser Branche nicht verwunderlich; denn nur ein Betriebsrat hätte einen Sozialplan vereinbaren können, und einen Betriebsrat gibt es nicht. Ein Betriebsrat hätte der Belegschaft sicherlich auch mitteilen können, dass sich alle sofort bei der Arbeitsagentur melden müssen, um Sperrzeiten zu vermeiden. Er hätte auch darauf hinweisen können, dass innerhalb 2 Wochen Kündigungsschutzklage eingereicht werden muss, um jegliche Rechte zu sichern. In der Branche ist der Fall natürlich bekannt. Man weiß auch, dass der Unternehmer durchaus über Vermögen verfügt, aus dem er noch den Lohn für die Einhaltung der Kündigungsfristen hätte begleichen können, z.B. einen Schrotthandel und mehrere Immobilien.

Das ganze Drama ist ein Lehrstück für Kleinbelegschaften, nicht auf ihre Rechte zu verzichten und sich überhaupt auch gut zu informieren, wofür gewerkschaftliche Organisation unerlässlich ist. Schiebt hier einer die eigene Schuld auf die Stadt und schickt seine Beschäftigten vor? Wie ging es vor dem Rathaus weiter? Die Gruppe wurde vorgelassen in einen Besprechungsraum und wurde dort dem Vernehmen nach von einer Fachbereichsvertreterin angehört.

In den Lizenzerteilungsbestimmungen der Stadt Mannheim heißt es:

„Persönliche Zuverlässigkeit des Unternehmers. Die persönliche Zuverlässigkeit wird anhand des polizeilichen Führungszeugnisses, des Auszuges aus dem Gewerbezentralregister sowie der Auskunft aus dem Verkehrszentralregister geprüft. Des weiteren sind Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes, der Stadtkasse, der Krankenkasse und der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen vorzulegen.“

Einen vergleichbaren Fall gab es vor zwei Jahren in Worms. Dort wurde einem wesentlich kleineren Taxiunternehmen (neun Taxis) die Lizenz entzogen. Laut Wormser Zeitung wollte sich damals der Leiter der Wormser Verkehrsbehörde zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. Aber so viel ließ er durchblicken: „… dass in der Regel schon eine Menge passieren müsse, bis eine Behörde ‚zum letzten Mittel‘ greife.

Normalerweise seien andere Maßnahmen ‚vorgeschaltet‘.“ (https://www.wormser-zeitung.de/lokales/worms/nachrichten-worms/stadt-worms-entzieht-erich-duner-taxi-konzession-neun-taxis-und-zwolf-fahrer-betroffen_16627104).

Der jüngste Fall in Mannheim hat übrigens keine Verbindung zu der zeitgleich stattfindenden Auseinandersetzung zwischen der Stadt Mannheim und dem Ludwigshafener Taxiunternehmen Böhm, welches in Mannheim 20 zusätzliche Taxilizenzen erwerben möchte. In der Branche wird dies sehr kritisch gesehen, weil schon jetzt der Mannheimer Taximarkt zu viele Anbieter habe und die Einkünfte der Fahrer*innen damit noch niedriger würden als bisher schon.

(„Stadt wehrt sich gegen mehr Taxis“, Mannheimer Morgen 03. Dezember 2018)

Thomas Trüper