Offener Brief vom heutigen Tag bezüglich meines Kommentars im Kommunalinfo Mannheim zur Erklärung des Mirgrationsbeirates zum Internationalen Tag gegen Rassismus vom 20. März 2018

Sehr geehrter Herr Herce, lieber Miguel und
liebe Mitglieder des Migrationsbeirates,

die Verwunderung über meinen o.g. Kommentar kann ich teilweise nachvollziehen und möchte sie hiermit versuchen aufzuklären, teilweise bin ich jedoch auch weiterhin anderer Meinung.

Das Wichtigste und Erfreuliche zuerst: Ich begrüße es sehr, dass die DITIB Türkisch-Islamische Gemeinde zu Mannheim nach längerer Überlegungsphase nun doch die Mannheimer Erklärung unterzeichnet hat. Für den Hinweis danke ich; dafür, dass diese Tatsache meiner Aufmerksamkeit entgangen ist, entschuldige ich mich.

Keineswegs war es meine Absicht, die Bedeutung der Erklärung gegen den Rassismus irgendwie zu schmälern. Dies lässt sich schon daraus entnehmen, dass die Redaktion des Kommunalinfo Mannheim die Erklärung auf meine Bitte in vollem Wortlaut veröffentlicht und so zu ihrer weiteren Verbreitung beigetragen hat.

Ich ergriff mit meinem Kommentar lediglich die Gelegenheit, aus allseits bekannten aktuellen Gründen einen politischen Wunsch an den Migrationsbeirat heranzutragen. Denn der Einsatz für das gute und friedliche Zusammenleben aller Menschen erfordert manchmal in besonders kritischen Situationen m.E. auch ein klares politisches Wort. Zwar ist es m.E. absolut richtig, dass der Migrationsbeirat nicht auf jeden politischen Konflikt irgendwo auf der Welt eingeht – es wäre der Anfang vom Ende und eine Verfehlung der Aufgaben des Migrationsbeirates. In dem von mir angesprochenen Konflikt ist jedoch ein Fünftel der Mannheimer Stadtbevölkerung aufgewühlt. Durch besonnenes Handeln der Verantwortlichen aller Ebenen ist es bisher nicht zu schlimmen Konfrontationen untereinander und / oder mit der Staatsgewalt gekommen. Wenn schon eine „parteiische“ Stellungnahme vielleicht tatsächlich nicht möglich ist, so wäre es doch ein wichtiges Zeichen, wenn man dem von mir geäußerten Wunsch nachkäme:
„Als Mindestes aber wäre der Wunsch nach Frieden in den kurdischen Gebieten und in Syrien zu artikulieren.“
Das verletzt niemanden und zeigt den Leidtragenden dieseits und jenseits der Front, dass man ihr Leid wahrnimmt und ein Ende wünscht. Und bei dieser Meinung bleibe ich.

Aber vielleicht wäre ja auch mal ein Meinungsaustausch angesagt, unter dem Motto: „Lieber miteinander als übereinander reden.“

In großem Respekt vor der Arbeit des Migrationsbeirats
und mit freundlichen Grüßen

Thomas Trüper
Stadtrat DIE LINKE

Hintergrundinfo

http://kommunalinfo-mannheim.com/2018/03/21/mannheimer-migrationsbeirat-fordert-verstaerkte-wachsamkeit-gegenueber-rassismus/

2018 03 27 Migrationsbeirat_Offener Brief an T.Trüper

 

ELS-Insolvenz: Private Verpackungs- und Wertstoffsammlung lädt ihre Probleme bei der städtischen Abfallwirtschaft ab – Stadt muss einspringen

Es kommt, wie es irgendwann einmal kommen musste: Der für Mannheim zuständige Lizenznehmer des Dualen System Deutschland, die ELS Europäische Lizenzierungs Systeme GmbH, hat am 15.03.2018 Antrag auf Sanierung in Eigenverwaltung gestellt, sprich: Insolvenz angemeldet.

Folge: Die über ein Ausschreibungsverfahren für Mannheim mit der Leerung der Gelben Tonne beauftragte Entsorgungsfirma Knettenbrech + Gurdulic (K+G) und die von der ELS mit der Sortierung der eingesammelten Wertstoffe beauftragte Firma ALBA GmbH haben der Stadt Mannheim signalisiert, dass sie ihre Dienstleistungen für die ELS (und damit für Mannheim) einzustellen gedenken. Sie fürchten offenbar, von ELS das ihnen zustehende Geld nicht mehr zu bekommen. Auch von Zahlungsrückständen ist die Rede.

K+G entsorgt nur 78% der Mannheimer Stadtgebiets. Die restlichen 22% hat der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft der Stadt Mannheim gebührenfinanziert übernommen, um den Hauptentsorger für die Einsammlung auch der Nicht-Verpackungs-Wertstoffe in der Gelben Tonne zu entschädigen, für die das Duale System Deutschland nicht aufkommt.

Was nun? Bleiben die Gelben Tonnen ungeleert? Die Stadt Mannheim hat sich bereiterklärt, über ihren Eigenbetrieb Abfallwirtschaft die Sammlung sowie die Verwertung / Entsorgung der Wertstoffe sicherzustellen.

Finanziell tritt die Stadt Mannheim vorübergehend in Vorleistung. Gleichzeitig ist der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft beauftragt, von ELS und vom Umweltministerium Baden-Württemberg, wo eine Sicherheitsleistung von ELS hinterlegt ist (lt. Mannheimer Morgen vom 24.3.18 handelt es sich lediglich um 50.000 Euro), das erforderliche Geld zurückzuholen. Der Gemeinderats-Ausschuss für die technischen Eigenbetriebe wurde am 22.3. während der Sitzung mit der Situation konfrontiert. Er unterstützt deklaratorisch das Vorgehen der Verwaltung. Gäbe es keinen städtischen Eigenbetrieb, wäre nun das Chaos perfekt. Am Ende bleibt die Stadt u.U. auch noch auf den Kosten sitzen.

In der städtischen Pressemitteilung hierüber ist zu Recht von einem „Versagen des Dualen Systems Deutschland“ die Rede. Das DSD hat keinen Haftungsverbund für derartige Ausfälle. 2015 hatte der Gemeinderat auf Antrag der SPD und der Grünen, dem DIE LINKE beigetreten war, einstimmig eine Resolution verfasst. Darin wird der Gesetzgeber aufgefordert, den Kommunen die Organisationsverantwortung für die Erfassung, Sortierung und Verwertung von Wertstoffen aus privaten Haushalten zu übertragen. Von einer solchen Regelung sind wir jedoch weit entfernt. Die Bundes-CDU blockiert.

Hintergründe

Für das System der Sammlung und Verwertung von Verpackungen ist seit 1991 (CDU/CSU und FDP) über die Verpackungsverordnung „die Wirtschaft“ für die Entsorgung und Verwertung von Verpackungen der Privathaushalte zuständig. Die in Deutschland tätigen Unternehmen der Lebensmittel- und Verpackungsindustrie gründeten in Folge einen Verbund, der die individuelle Rücknahmeverpflichtung für Verpackungen kollektiv regelt und dies privatwirtschaftlich und zunächst monopolistisch: Über das Unternehmen „Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH“. Den Kommunen war damit die Zuständigkeit für diesen Teil der Abfallentsorgung genommen. Neoliberalismus pur.

Inzwischen gibt es nach Intervention der EU-Kommission gegen das Monopol des Grüne-Punkt-Systems – DSD zehn privatwirtschaftliche Anbieter, die sich die Organisation der Verpackungsentsorgung aufteilen, u.a. eben die ELS GmbH, die ihrerseits Tochter der ASCON Holding GmbH ist.

Diese Firma bezeichnet sich als: Experte der Kreislaufwirtschaft |weltweit effizienter Verwerter und Vermarkter von Sekundärrohstoffen | nachhaltiger Stoffstrommanager | Profi in Sachen Abfallwirtschaftssysteme | Betreiber von eigenen Rücknahme- und Verwertungssystemen. Diese Selbstbeschreibung macht Komplexität der rein privatwirtschaftlich organisierten Kreislaufwirtschaft deutlich.

Privatisierungsfolgen

Das Grundübel ist die Übertragung der Verantwortung für die Finanzierung und letztlich hoheitliche Durchsetzung der Kreislaufwirtschaft auf Private durch die VerpackungsVO. Ein privater Verbund muss die Eintreibung der Finanzmittel für Entsorgung und Verwertung von den Herstellern bzw. den Händlern von verpackten Waren eintreiben und ist damit schon immer gescheitert. Lt. dem Präsidenten des Bundesverbandes der Entsorgungswirtschaft gibt es ca. 30% „Trittbrettfahrer“, die sich den Zahlungen der Verpackungsabgabe entziehen (Interview vom 13.2.13 zit. bei https://de.wikipedia.org/wiki/Verpackungsverordnung_(Deutschland)#cite_note-13). Verstöße gegen die VerpackungsVO werden durch die private Organisation zum Gegenstand des Privatrechts, da der Staat seine hoheitliche Befugnis abgegeben hat. Die 10 Lizenznehmer sind untereinander zerstritten und klagen gegeneinander. Jüngstes Ergebnis dieser Querelen ist das Platzen der Verlosung der regionalen Zuständigkeiten, die am 23.3. hätte erfolgen sollen. Nach dieser Verlosung hätten dann im Herbst die Gebietsausschreibungen für das Einsammeln Leichtverpackungen und Glas für 2019-21 erfolgen sollen (https://www.euwid-recycling.de/news/wirtschaft/einzelansicht/Artikel/duale-systeme-rkd-laesst-verlosung-platzen.html).

Nun liegt wahrscheinlich erstmals der Fall einer Insolvenz eines Dualen Systembetreibers vor, und die Kommunen, die letztlich für Abfallentsorgung und Sauberkeit im Sinne der Daseinsvorsorge als Pflichtaufgabe geradestehen müssen, sind auf das Privatrecht und seine Fallstricke verwiesen.

Konkret im Falle Mannheims heißt dies letztlich, auf den Kosten sitzenzubleiben

Das für ELS zuständige Amtsgericht Bonn ordnete am 19. März 2018 die vorläufige Sachwaltung über das Vermögen des Unternehmens an ELS als Auftraggeber von K+G steht damit unter Kontrolle des Insolvenzrichters bzw. des vorläufigen Insolvenzverwalters. Alte Schulden dürfen nicht beglichen werden (Schutz der Masse), laufende Verträge werden – da das Unternehmen weitergeführt wird – erfüllt. K+G hat mglw. ein Sonderkündigungsrecht wegen nicht beglichener Forderungen. Wenn die Stadt Mannheim nun einspringt, ist ELS mglw. nicht verpflichtet, diese Dienstleistung zu bezahlen, weil hier kein Vertrag vorliegt. Die neun anderen Lizenznehmer sind nicht verpflichtet, für die Zahlungsunfähigkeit von ELS aufzukommen (wie etwa Sparkassen untereinander). Die beim Landesumweltministerium hinterlegte Sicherung reicht nicht aus. Ob die Stadt Mannheim jemals auf das Vermögen von ELS durchgreifen kann um sich für ersatzweise erbrachte Leistungen zu entschädigen, steht in den Sternen. Außerdem hat der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft mit seiner Tarifbindung und höheren Sozialstandards einen (deutlich) höheren Aufwand als K+G. Dies war ja auch der Grund, warum der Eigenbetrieb im Rahmen der Ausschreibung nicht zum Zuge kam, sondern eben K+G.

Von Ferne grüßt die rigide neue chinesische Umweltpolitik

Interessant sind die Gründe, die ELS für seine Insolvenz angibt:

„Als wesentliche Krisenursache sieht Geschäftsführer Sascha Schuh das Versagen des Marktes für Verpackungsentsorgung in Deutschland: „Von Beginn an hat es erhebliche finanzielle und strukturelle Probleme bei der Erfassung und Verwertung von Verkaufsverpackungen gegeben. Da in Deutschland nur die dualen Systeme und nicht die Inverkehrbringer streng kontrolliert werden, tragen insbesondere Trittbrettfahrer des Systems seit Jahren zu enormen Liquiditätsproblemen der dualen Systeme bei. Das sind diejenigen Unternehmen, die nicht lizenzierte Verpackungen in den Markt bringen, für deren Entsorgung also nicht gezahlt wurde. Ein Konzept, bei dem die Ausgaben höher sind als die Einnahmen, kann nicht funktionieren. Dazu kommen extrem volatile Preise für Sekundärrohstoffe, wechselnde und wegfallende Absatzmärkte sowie konstant steigende Preise für Entsorgungsdienstleistungen“, so Schuh weiter.“ (https://www.els-systeme.de/news/newsartikel.html?tx_news_pi1%5Bnews%5D=89&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=5f6dc2a659ef941a76d332a79e24bc23)

Zunächst also einmal der Hinweis eines Privaten, dass das private System nicht funktioniert. Was die „volatilen Preise“ und „wegfallenden Absatzmärkte betrifft, lohnt ein Blick in die VR China: Am 29.09.2017 meldete der Nachrichtendienst euwid-recycling: „Der Altkunststoffmarkt ist weltweit in schweren Turbulenzen. Das von China angekündigte Importverbot ab 2018 für zahlreiche Kunststoffabfälle führt bereits jetzt zu einer Überversorgung in Europa mit Kunststoffabfällen geringer Qualität. Ton Emans, Präsident des europäischen Kunststoffrecyclerverbands PRE, sieht die Abfallwirtschaft mangels Visionen in den letzten Jahren nun in der „Realität“ angekommen. Politik und Industrie seien gefordert. Die bislang nach China exportierten Abfälle, die schlecht gesammelt und sortiert seien, könnten nun nicht komplett in der EU aufgenommen werden. Die Abfälle entsprächen nicht den Qualitätsanforderungen der europäischen Recycler, so PRE weiter. Dringend notwendig sei nun, einen echten und nachhaltigen Abfallmarkt in Europa umzusetzen. Vor allem müsse die Qualität verbessert werden.“ (https://www.euwid-recycling.de/news/international/einzelansicht/Artikel/chinesisches-exportverbot-kunststoffrecycler-sehen-wirtschaft-und-politik-sind-gefordert.html).

Politische Aufarbeitung: CDU steht an der Spitze der Verwirrer und Verweigerer

Das komplizierte System der privatisierten Organisation der Kreislaufwirtschaft ist für die Öffentlichkeit kaum zu durchschauen, insbesondere, dass die Kommune keinerlei Organisationskompetenz für das Einsammeln des Geloben Sachs / der Gelben Tonne hat. Bei der von allen geforderten Umstellung des Gelben Sachs auf die Wertstofftonne beutete die lokale CDU die Anlaufschwierigkeiten und den vom Dualen Systembetreiber ELS vorausgesetzte 4-wöchentliche Leerung aus, um der zuständigen, von der CDU ungeliebten Dezernentin Felicitas Kubala (Grüne) eins zu verpassen. Sie veranstaltete eine Plakatkampagne für die 14-tägliche Leerung.

Zwar stimmte die CDU der oben zitierten Resolution des Gemeinderats von 2015 zu (bei Ablehnung durch FDP und MfM sowie Enthaltung von NPD).

Und auch 2010, als sich der Gemeinderat in einer Resolution der Kommunalen Spitzenverbände mit der zentralen Forderung anschloss, bei der Formulierung des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes die Organisationshoheit der Kommunen zu verankern und das „Rosinenpicken“ privater Abfallsammler zu unterbinden, geschah dies einstimmig, obwohl zwei MdB der damaligen schwarz-gelben Koalition im Gemeinderat saßen (Prof. Jüttner, Dr. Reinemund).

Jedoch hat sich die letzte Große Koalition im Bund bei ihrem letzten Gipfel vor der Wahl nicht einigen können auf die gesetzliche Regelung einer kommunalen Wertstofftonne, wie sie der Bundesrat gefordert hatte. Die CDU blockierte das. So ist weiterhin das Duale System Deutschland mit seinen 10 Anbietern für die Sammlung der Verpackungen zuständig. Und wenn Kommunen die sonstigen Wertstoffe sammeln lassen möchten, müssen sie dafür zahlen – bar oder durch Übernahme eines Teilgebietes auf eigene Kosten (wie in Mannheim).

(Thoms Trüper, Stadtrat DIE LINKE)

Kommentar von Thomas Trüper zur PM des Mannheimer Migrationsbeirat – Verstärkte Wachsamkeit gegenüber Rassismus

Die Erklärung des Migrationsbeirates ist begrüßenswert, insbesondere der Hinweis, dass  der „Kampf der Kulturen“ letztlich Rassismus ist. Der Beirat hat die Mannheimer Erklärung erneut einstimmig als Arbeitsgrundlage beschlossen. Es wäre ein großer Fortschritt, wenn die im Beirat vertretenen Repräsentanten der türkischen Community (5 von 20), von denen sich sicherlich einige mit der DTIB verbunden fühlen, diesen vom türkischen Staat kontrollierten Moscheen-Verein dazu bewegen könnten, endlich auch die Mannheimer Erklärung zu unterzeichnen.

Außerdem wären ein paar Worte angebracht zu dem militärischen Vorgehen des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei und aktuell in Nordsyrien. Hier ist der angebliche Kampf gegen „die Terroristen“ purer Rassismus – geführt in trauter Verbundenheit zwischen türkischem Militär und tatsächlich terroristischen Milizen. Dieser endlose „Kurdenkonflikt“ belastet auch die Mannheimer Stadtgesellschaft und insbesondere die 20% Bevölkerung mit türkischer oder kurdischer Herkunft. Ein Aufruf an Erdogan, die Waffen ruhen zu lassen und endlich wieder den von ihm aufgekündigten Friedensprozess wieder aufzunehmen, wäre auch für Mannheim ein großer Gewinn – und ganz im Sinne der Mannheimer Erklärung. Als mindeste aber wäre der Wunsch nach Frieden in den kurdischen Gebieten und in Syrien zu artikulieren. Stattdessen gibt es Berichte, wonach in der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee (DTIB) für die türkischen Soldaten beim Sturm auf Afrin gebetet wird.

(Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE)

Übrigens: Unser Bezirksbeirat Dennis Ulas zum fahrscheinlosen ÖPNV bzw. der Idee des kostenlosen ÖPNV

Dennis Ulas Bezirksbeirat Neckarstadt Ost

Ein fahrscheinloser, vollständig steuerfinanzierter ÖPNV wäre fast schon eine kleine Revolution in Deutschland. Damit müsste niemand mehr zu Hause bleiben, weil sie/er sich keine Fahrkarte leisten kann. Zudem würde es viel mehr Menschen dazu bewegen, ihr Auto stehen zu lassen (oder besser noch: abzugeben) und sich umweltfreundlicher, lärmreduzierter und platzsparender fortzubewegen. Mit dem heute vorhandenen ÖPNV-System ist das aber kaum zu bewältigen. In den Stoßzeiten morgens und nachmittags sind Busse und Bahnen oft überfüllt, es stehen weder genügend Fahrzeuge oder Infrastruktur noch Personal zur Verfügung, die deutlich steigende Anzahl an Fahrgästen zu transportieren. Ein Ausbau des ÖPNV ist also zwingend notwendig. Das geht zwar nicht von heute auf morgen, ist aber mittelfristig machbar und sinnvoll.


„Wer soll das alles bezahlen?“, fragen Kritiker. Zum einen würden Einsparungen entstehen, weil man keine Fahrkartenautomaten bzw. Verkaufsgeräte und -stellen sowie Entwerter mehr benötigt. Die kostenintensive Ahndung von Schwarzfahrern würde entfallen. In Verkehrsbetrieben und -verbünden könnte das Personal, das heute die Einnahmen aus Fahrkartenerlös sowie Geldflüsse zwischen „Geldnehmern“ (Verkehrsbetriebe) und „Geldgebern“ (Gemeinde, Landkreise etc.) regelt, für andere Aufgaben eingesetzt werden. Zusätzliches Geld könnte man von einer höheren Besteuerung der Autoindustrie bekommen, die mit ihren Fahrzeugen für die schlechte Luftqualität und Umweltschäden eine große Mitverantwortung trägt. Zum anderen darf man aber auch nicht verschweigen, dass ein kostenloser und ausgebauter ÖPNV wahrscheinlich nicht ohne Steuererhöhungen geht – diese müssen und können aber sozial gerecht gestaltet werden, so dass die zusätzliche Belastung niemandem weh tun würde bzw. bei unteren Einkommensgruppen gar nicht bemerkbar sind. Und vielleicht sollte man sich in Zeiten der Nullzinsphase auch mal von der Schwarzen Null verabschieden, um den notwenigen Investitionsschub zu leisten …

 

PS: Dennis Ulas ist Angestellter in der ÖPNV-Planung – er weiß wovon er spricht.  😉  🙂

Sozial- und Kurzstreckentarif des VRN längst überfällig

Zum einjährigen Bestehen der neuen Nahverkehrstarife des VRN „eTicket“ und
„ticket2go“ stellen die beiden linken Stadträte Gökay Akbulut und Thomas Trüper
fest: „Schön, dass Menschen mit Smartphone durch den eTarif auf kürzeren
Strecken mit Bus und Bahn gegenüber den herkömmlichen VRN-Tarifen ganz
schön Geld sparen können – aber wo bleibt der Sozialtarif?“ Thomas Trüper
verweist darauf, dass schon seit Jahren die Forderung im Raum steht,
TransferleistungsempfängerInnen endlich einen Sozialtarif anzubieten. Dadurch
gewinnt die RNV neue KundInnen, die bisher auf Nahverkehrsleistungen
weitgehend aus finanziellen Gründen verzichten mussten. Es ist das gleiche
Prinzip wie beim eTarif: Gewinnung neuer KundInnen durch preisgünstigere und
leichter zugängliche Tickets.“ Gökay Akbulut denkt dabei jedoch auch an die
zahlreichen Personen, die sich kein Smartphone leisten können oder wollen:
„Diese Menschen dürfen nicht diskriminiert werden: Das Kurzstreckenticket muss
es auch in Papierform aus dem Automaten geben.“

Mit einer Reihe Anfragen an die Verwaltung möchten die linken Stadträte die
Diskussion über neue und sozialere Tarife auf eine bessere Faktenlage stellen. So
fragen sie nach den Erfahrungen mit einem Jahr eTarif, nach den Kriterien für die
Modernisierung des VRN-Tarifsystems und der Bezahlungsmodalitäten. Dazu
Thomas Trüper: „Wer die Städte von Individualverkehr entlasten, die Umwelt
schonen und allen Menschen preisgünstige Mobilität ermöglichen möchte, muss
über die Zukunft des ÖPNV-Tarif- und Bezahlsystems nachdenken und Bus und
Bahn und zukünftig auch öffentlichen Nahverkehr auf Bestellung preisgünstiger
und einfacher gestalten. Orientierungspunkt ist der fahrscheinlose ÖPNV.“ DIE
LINKE im Gemeinderat fragt in diesem Zusammenhang auch nach den indirekten
Kosten des Nahverkehrs im Justizbereich durch die Strafverfolgung vo9n
„SchwarzfahrerInnen“. „Diese sicher nicht unerheblichen Gelder kann man auch
sinnvoller für Tarifreformen einsetzen“, so Akbulut.

Hilfsorganisation Bayti im Kampf gegen die Ausgrenzung von Straßenkindern

„Association Bayti pour l´enfance en situation difficile“  – „Association Bayti. Für Kinder, die unter schwierigen Umständen aufwachsen“

(Bericht eines Freiwilligen beim christlichen Friedensdienst EIRENE 2015)

1995, zwei Jahre nach der Unterzeichnung einer internationalen Konvention zu Kinderrechten von Marokko, wurde die Association Bayti gegründet, um neben den unzulänglichen Bemühungen von Seiten des Staates zum Schutze der Kinder eine Alternative aufzubauen.

Heute arbeiten ca. 50 Mitarbeiter in verschiedenen Programmen mit Straßenkindern und mit Kindern, die Opfer von Gewalt, sexueller und finanzieller Ausbeutung sind. Zusammengefasst: Mit Kindern, die unter schwierigen Umständen aufwachsen.

Bayti ist hocharabisch und heißt „mein Haus“. In Casablanca, Essaouira und in der Provinz von Kenitra wird versucht den Kindern ein solches, je nach Programm, in anderer Art zu bieten.

Ich arbeite im Foyer, d.h. im Kinderheim von Bayti, das sich in Casablancas Stadtteil Sidi Bernoussi befindet. Hier soll den Kindern ein neues „bayti“, also ein Zuhause geboten werden.

Im Kinderheim leben Kinder im Alter von 5-18 Jahren, die unterschiedlichste Hintergründe haben. Meist wurden sie aufgrund innerfamiliärer Probleme (Gewalt, Alkoholkonsum der Eltern, Prostitution…), und/oder weil sie Halb- oder Vollwaisen sind, von Bayti aufgenommen.

Momentan leben ca. 50 Kinder im Foyer, die hier rund um die Uhr von Educateuren betreut werden. Diese Betreuung reicht von einfacher Aufsicht, über Erziehungsmaßnahmen bis zu sehr persönlichen Gesprächen, in denen die Educateure Vater- oder Mutterrollen einnehmen. Es gibt zwei Wohneinheiten, in denen die Kinder nach Alter aufgeteilt sind. Die Älteren (14-18 Jahre) wohnen im Hauptgebäude, das auch die Administration, also den Hauptsitz von Bayti miteinschließt. Gegenüber auf der anderen Straßenseite wohnen die Jüngeren (5-13 Jahre).

Neben Unterkunft und Verpflegung wird dafür gesorgt, dass die Kinder zur Schule gehen oder im entsprechenden Alter einen Ausbildungs- oder Studienplatz finden. Bayti begleitet die Kinder bis zur Selbstständigkeit, wenn vorher nicht – und das ist der Optimalfall und Ziel von Bayti – eine Reintegration in die Familie gelingt. Neben der Arbeit mit den Kindern im Heim wird auch eng mit den Familien der Kinder zusammengearbeitet. Soweit möglich soll der Aufenthalt bei Bayti eher Übergangspunkt und nicht dauerhafter Zustand sein.

Oulad Ziane und die Kinder von der Straße

Alle Wege führen nach Casa. Der Busbahnhof von Casablanca ist das Drehkreuz für den vielgenutzten Fernbusverkehr in Marokko. Etwa 800 Busse kommen hier täglich an oder fahren ab. Neben dem Zugverkehr hat der Fernbusverkehr einen großen Anteil an der Personenbeförderung in Marokko, wenn nicht sogar einen noch größeren. Das Busfahren ist deutlich günstiger und teilweise sogar schneller. Außerdem sind viele Regionen nicht an das Schienennetz angebunden. Komfortablere Linien haben private Busbahnhöfe nahe dem Zentrum. Alle anderen halten am Oulad Ziane.

Normalerweise ist dies ein Ort, an dem man nicht viel Zeit verbringt. Man kommt an, kauft ein Ticket und steigt in seinen Bus. Alles, was um einen herum passiert, wird nicht beachtet und ignoriert. Dabei ist es sehr viel, was es hier zu sehen gibt. Oulad Ziane ist eine eigene kleine Welt.

Draußen vor den Eingängen des großen Gebäudes stehen die Fahrkartenverkäufer auf Neuankömmlinge wartend, während sie die Namen ihrer Reiseziele, für die sie Tickets verkaufen, schreien: „Marrakch! Marrakch!“, „Fes! Fes! Fes!“, hört man auch noch, wenn man durch einen der Eingänge getreten ist, hinter denen sich ein weites Blickfeld auf die Bahnhofshalle und das dahinterliegende Außengelände ergibt, auf dem die vielen Busse stehen.

In der Bahnhofshalle sind viele verschiedene Menschen zu sehen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Manchmal allein, manchmal in Gruppen. Mit Gepäck und ohne Gepäck. Reisende und nicht Reisende. Zu letzteren gehören abgesehen von den Menschen, die am Bahnhof arbeiten, vor allem Obdachlose, die sich den Bahnhof als vorübergehenden Aufenthaltsort ausgesucht haben, denn hier gibt es alles, was man braucht.

Im Untergeschoss des Bahnhofes befinden sich Imbisse, Kleidungsgeschäfte, ein Friseur und Cafés. Durch den Kauf eines Getränks in einem der Cafés erwirbt man gleichzeitig das Recht dort die folgende Nacht zu verbringen. Man muss zwar mit einem normalen Stuhl als Schlafplatz vorlieb nehmen, doch ist es für viele besser als nichts.

Zu den Leuten, die in den Cafés übernachten, gehören ausschließlich erwachsene Männer. Doch es gibt auch eine andere Gruppe, die sich hier aufhält: Straßenkinder (frz.: les enfants de la rue).

Eine Woche lang habe ich am Busbahnhof einen Kollegen begleitet, um einen Einblick in die dortige Arbeit von Bayti zu bekommen. Es war bisher eine der interessantesten Wochen während meiner Arbeitszeit bei Bayti. Mit den Kindern, die auf der Straße leben, konfrontiert zu sein, war eine neue Erfahrung im Gegensatz zum bisherigen Heimalltag, und zudem habe ich eine neue Sicht auf die Dinge gewonnen.

In Marokko gibt es über 30.000 Straßenkinder. Der Großteil von ihnen lebt in Casablanca. Die meisten von ihnen stammen aus prekären und äußerst schwierigen Verhältnissen und sind oft nach innerfamiliären Konflikten und Brüchen auf die Straße gegangen.

Es ist schwierig, sich in die Kinder hineinzuversetzen, doch kann man ein stückweit nachvollziehen, warum sie diesen Schritt tun. Sie entkommen einem enormen Druck, der Einschränkung und der Gewalt und machen sich auf in ein Abenteuer. Sie sind in allem frei, erfahren eine völlig neue Art von Solidarität, wenn sie sich eine der vielen Banden anschließen, und zudem können sie durch kleine Nebenjobs, die es u.a. auch am Busbahnhof gibt, sogar eigenes Geld verdienen.

Auf einem Rundgang mit meinem Kollegen besichtigten wir von außen ein altes, verlassenes Kino, in dem sich angeblich eine Gruppe von Jugendlichen eingerichtet hat. Es ist wirklich eine abenteuerliche Vorstellung.

Und dann gibt es noch den Kleber (tchamkir). Sniffing wird von einem Großteil der Straßenkinder betrieben. Nasal mit z.B. einem Taschentuch oder oral mit einer Plastiktüte versetzen sie sich für 6 bzw. 11 Dirham (50 Cent bzw. 1€) in rauschartige, ekstatische Zustände. Diese Flucht in die Traumwelt lässt die Jugendlichen auch mehr Mut haben, sie fühlen sich nicht mehr verantwortlich für ihre Taten und sie verlieren Hunger- und Kältegefühl.

Dafür bezahlt wird mit starken gesundheitlichen Problemen, ein deutlicher Verlust an Denkvermögen und bei zu starken Dosen manchmal der sofortige Tod.

Auch sonst stehen Abenteuer, Freiheit und Ekstase vor allem Nachteile entgegen. Der Alltag vieler Kinder ist geprägt von Kälte, Hunger und Sniffing. Ein Vertrauensverlust in sich selbst und in andere läuft ab, die Kinder und Jugendliche sind mit hoher Gewalt konfrontiert und neigen dazu sich selbst zu verletzen und den eigenen Körper stark zu vernachlässigen. Außerdem verlieren viele ein Bewusstsein für die Zukunft.

Im Laufe der Woche, die ich am Busbahnhof verbrachte, liefen wir in der Gegend des Bahnhofs herum, trafen Kinder und sprachen mit ihnen. In einem Gespräch mit einem 11-Jährigen Jungen fragte mein Kollege, ob er zurück zu seiner Familie oder zu Bayti ins Heim wolle. Die Antwort war zweimal nein. Er wolle auf der Straße bleiben.

Es ist schockierend, wenn man daran denkt, wie man selbst aufgewachsen ist und unter welchen Umständen es die Kinder auf der Straße tun.

Ziel der Arbeit meines Kollegen am Busbahnhof ist immer wieder, Gespräche mit den Kindern zu führen, in denen über ihre Probleme, ihre Umstände und ihre Zukunft geredet wird. So haben die Kinder die Möglichkeit ein wenig zu reflektieren, was sie tun und wo sie sich befinden. Bei geeigneten Voraussetzungen werden Kinder auch ins Heim aufgenommen, d.h. sie nehmen keine Drogen mehr und haben den festen Willen ihr Leben zu ändern.

Zu den Anfängen von Bayti lag ein Schwerpunkt in der Arbeit auf der Straße. Mittlerweile sind die Ressourcen in diesem Bereich stark gekürzt, was trotz der Tatsache, dass es einige andere Organisationen gibt, die in diesem Bereich tätig sind, schade ist. Denn es gibt viel zu tun.

Christoph Schuch (https://www.eirene.org/sites/default/files/RB2ChristophSchuch.pdf)

Film: „Ali Zaoua“ (Die Straßenkinder von Casablanca)

Chronik der Stadt Mannheim

  1. November 2000

Im Stadthaus N 1 werden zum Abschluss des 49. Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg, das 60.000 Besucher verzeichnet, in Anwesenheit von Oberbürgermeister Gerhard Widder und Oberbürgermeisterin Beate Weber die Preise verliehen: der Filmkunstpreis von Mannheim-Heidelberg in der Kategorie Bester Spielfilm in Höhe von 20.000 DM geht an Nabil Ayouch (Marokko) für „Ali Zaoua“ (Die Straßenkinder von Casablanca)

 

(https://stadtarchiv.mannheim.de/chronikstar/public_html/index.php?start=26442&sort=8)

 

Über den Film

 

Ali Zaoua – Auf den Straßen von Casablanca

Heidelberg Karlstor Juli 2002 | Marokko/Frankreich/Belgien 2000 | Regie: Nabil Ayouch | 100 min. | 35 mm | arabisches Original mit deutschen Untertiteln.

Der Hafen von Casablanca ist das Zuhause von Ali, Kouka, Omar und Boubker. Sie sind Straßenkinder, leben um zu überleben, ohne Ziel und ohne einen Ort, an den sie sich zurückziehen können. Die vier bilden eine Gang, denn Freundschaft ist ihre einzige Chance. Diese wird auf eine harte Probe gestellt. Ali, der davon träumt, eines Tages als Seemann um die Welt zu fahren, wird bei Auseinandersetzungen mit einer rivalisierenden Straßenbande getötet. Seine Freunde möchten ihn nicht einfach so liegen lassen, sondern wollen ihm ein „königliches“ Begräbnis organisieren. Dazu müssen sie eine Insel mit zwei Sonnen finden, von der Ali ihnen immer erzählt hat. – Regisseur Nabil Ayouch hatte die Idee zu seinem Film, als er Najat M’jid kennen lernte, die Leiterin der Hilfsorganisation Bayti, die sich den Kampf gegen die Ausgrenzung von Straßenkindern zu ihrem Ziel gemacht hat. Dadurch kam Ayouch in Kontakt mit deren Streetworkern und erhielt Zugang zur Welt der Straße, zur Welt dieser Kinder und ihrer Art, miteinander umzugehen und zu denken. Dabei fand er auch die Darsteller für sein Filmprojekt, das alles andere ist als eine Dokumentation, sondern in ein städtisches Märchen übergeht. – Mit „Mektoub“ drehte Ayouch vor wenigen Jahren bereits einen politischen Film, der zugleich als erster marokkanischer Film für einen Oskar nominiert wurde. Auch „Ali Zaoua“ repräsentierte Marokko bei der Oskar-Wahl, und mit seinen vielen Auszeichnungen auf internationalen Festivals, so in Mannheim-Heidelberg, Montreal, Brüssel oder auf dem Panafrikanischen Filmfestival in Ouagadougou, dürfte er einer der höchstprämierten Filme der letzten Jahre überhaupt sein.

(https://www.karlstorkino.de/programm/ali-zaoua/)

Saftige Mieterhöhungen – aber niedriger wie zunächst angekündigt

Modernisierungsmaßnahmen bei Spar & Bau in der Neckarstadt-Ost

Die Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen für den Großteil der 48 Wohnungen in der Lenau-, Verschaffelt- und Uhlandstraße in der Neckarstadt-Ost sind abgeschlossen.

Die Mieterhöhungen für diese Wohnungen sind nun 1,80€/qm und für den 1. September 2018 angekündigt. Ursprünglich war vor den Baumaßnahmen eine voraussichtliche Mieterhöhung von 2,50€ angekündigt.

Die Erhöhung ist immer noch beträchtlich, bei einer Wohnung von 75qm bedeutet das eine monatliche Erhöhung der Kaltmiete von nun mehr 135€. Wenn es bei der ursprünglichen Planung geblieben wäre, wären es aber nochmals 52€ mehr gewesen.

Auch wenn es die Geschäftsleitung von Spar&Bau niemals zugeben würde, dass der Widerstand aus Reihen der Mieter und der Öffentlichkeit die Geschäftsleitung bewogen hat, bei der Mieterhöhung mehr Vorsicht als noch bei der Erstankündigung im März 2017 walten zu lassen.

Bekanntlich dürfen nur Modernisierungs-, aber keine Sanierungsmaßnahmen auf die monatliche Miete umgeschlagen werden.  Genau dies war und ist der Streitpunkt: was ist Modernisierung – was ist Sanierung. Bei den Häusern mit Baujahr 1962 ist davon auszugehen, dass ein größerer Teil Sanierungsmaßnahmen sind.

Spar&Bau hat die Modernisierungsmaßnahmen detailliert aufgeführt. Hierbei handelt es sich um den Einbau von dreifach verglasten Fenstern mit Rollläden, Erneuerung der Haustür mit Briefkastenanlage, Fassadenerneuerung, Wärmedämmung des Dachbodens. Interessant ist, dass die Balkonerneuerung als größer Posten in der jetzigen Kalkulation für die Mieterhöhung nicht mehr aufgeführt worden ist. Offensichtlich werden diese nun auch seitens von Spar&Bau als Sanierungsmaßnahme gesehen.

Trotzdem gibt es große Bedenken, ob nicht auch die neue Kalkulation ungerechtfertigter weise Sanierungen als Modernisierungsmaßnahmen beinhaltet. Einige Posten in der Kalkulation sind neu dazu gekommen und nicht nachvollziehbar z.B. der nicht geringe Betrag für „Baunebenkosten“. Wegen der übermäßigen Belastung während der Baumaßnahmen haben einige Vermieter nur unter Vorbehalt ihre Miete bezahlt. Spar&Bau erklärt sich nun bereit, zur Kompensation der entstandenen Unannehmlichkeiten eine Einmalzahlung von 500€ als Entschädigung zu bezahlen. Hier stellt sich die Frage, ob der Betrag eigentlich nicht viel höher sein müsste. Es ist davon auszugehen, dass einige Mieter diese Fragen zum Teil über den Mieterverein rechtlich klären lassen werden.

Im Kommunal-Info 07/2017 haben wir dargelegt, dass die damals geplanten Mieterhöhungen bis zu 40% betragen werden und in der Spitze bei fast 10€/qm liegen. Wir haben dargelegt, dass die geplanten Mieterhöhungen viel zu hoch ausfallen und dass es für langjährige Mieter Bestandschutz geben müsse. Mieter und der Mieterverein sind aktiv geworden. Die LINKE ist an die Öffentlichkeit gegangen, die SPD hat sich an die Geschäftsführung von Spar&Bau gewandt.

Der Spar- und Bauverein Mannheim, kurz Spar & Bau, ist eine steuerlich begünstigte Wohnungsbaugenossenschaft und mit 1.521 Wohnungen nach der Gartenstadt-Genossenschaft mit ca. 4.200 Wohnungen die zweitgrößte Wohnungsbaugenossenschaft in Mannheim. Die Rücklagen sind gut.  Auch deshalb sind die geplanten Mieterhöhungen bei Spar&Bau immer noch zu hoch.

Im Kommunal-Info 7/20017 heißt es: „Der Gesetzgeber verfolgt mit der steuerlichen Bevorteilung der Wohnungsbaugenossenschaften die Absicht, die Schaffung von preisgünstigen Wohnraum anzureizen. Die gegenwärtige Geschäftspolitik von Spar&Bau und anderer großer Wohnungsbaugenossenschaften widerspricht dieser Zielsetzung“. Baugenosenschaften dürften sich nach der vom Gesetzgeber gewollten Zielsetzung nicht wie ein renditeorientiertes Unternehmen verhalten und sind dem Gemeinwohl verpflichtet.

 

Roland Schuster

Mannheim und seine Marokkanischen Straßenkinder

Das Internationale Filmfestival Mannheim Heidelberg könnte auch mal als Erkenntnisquelle genutzt werden – Oder: Wie gut war der Lateinunterricht?

„Brandbrief“ des OB von Mannheim, Peter Kurz (SPD) im Oktober 2017 an den CDU-Innenmister Strobl 2017 mit dem Tenor: „Wir sind mit unserem Latein am Ende“: Die Stadt Mannheim sehe sich vollkommen überfordert durch eine variierende Gruppe von 10 bis 15 jungen Marokkanern im Kindes- und Jugendalter, die als unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) in der Obhut des Jugendamtes Mannheim sind. Sie seien an Integration überhaupt nicht interessiert und brächten durch ihre Kriminalität, vorzugsweise das Klauen von Gepäckstücken aus Fahrradkörben (über 600 mal in 2017) die 230 übrigen UMA in Mannheim in eine schwierige Lage und die Stadtverwaltung in den Ruch des Staatsversagens. Letzteres will der OB nicht auf sich sitzen lassen, da er den Rechtspopulisten keine Angriffsfläche bieten möchte. Ein nobles Motiv. Fraglich nur, wohin diese aufgeregte Diskussion inzwischen führt.

Wenn im Wochenblatt der sich als Satiriker betätigende Prof. Hans-Peter Schwöbel
(30 Jahre lang Professor für Soziologie an der an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundeswehrverwaltung, Ebert-Stipendiat, zahlreiche Arbeitsaufenthalte in Afrika) in einer Kolumne zu „den Marokkanern“ empfiehlt: „Deutsch reden!“ – dann ist das Thema endgültig reaktionär instrumentalisiert. Satire geht anders. Siehe hierzu im Folgenden die Stellungnahme von  der Initiative „save me“.

In dem Briefwechsel zwischen OB und Minister geht es um die Erschließung von Möglichkeiten, geschlossene Sondereinrichtungen für die kleine marokkanische Gruppe zu schaffen. Denn eigentlich ist die Jugendhilfe nach SGB VIII zuständig, pädagogische Prinzipien haben selbst beim Wegsperren zu obwalten, und Jugendstrafrecht greift selbst bei erreichter Strafmündigkeit wegen dem nach StGB geringfügigen Kriminalitäts-Level nicht. Der Minister hebt in seinen Äußerungen immer wieder auf die seiner Meinung nach entscheidende Frage der Altersüberprüfung ab. Warum? Weil es dann vielleicht möglich ist, 2 oder 3 dem Jugendstrafrecht (über 14) zuzuführen oder Einzelne vielleicht abzuschieben (über 18 – sicheres Herkunftsland). Er bietet keinerlei wirkliche Lösungsansätze.

Warum sind die Jugendlichen so schwierig zu „integrieren“? Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich um Menschen, die schon Marokko (und teilweise wohl auch Algerien) als Straßenkinder lebten und die – es mag die „Elite“ dieser Straßenkinder sein – den Weg durch den Grenzzaun über die spanische Exklave Ceuta nach Deutschland geschafft haben. Sie seien – so hört man aus mit der Betreuung dieser jungen Menschen befassten Kreisen – durch Erwachsene kaum oder erst nach Tagen ansprechbar (nicht nur wegen Sprachproblemen), hätten keinerlei Unrechtsbewusstsein bezüglich ihrer Diebereien und betrachten Bargeld als Existenzvoraussetzung. Sie seien gut vernetzt und außerordentlich mobil. Ihre Unterbringungen in einem Heim eines Freien Träges (Schiffer-Kinderheim Seckenheim) ist inkompatibel zum normalen geregelten Heimbetrieb. Inzwischen sind sie auf Benjamin Franklin untergebracht. – Zum Thema „Straßenkinder aus Marokko“ dokumentieren im Folgenden einige Informationen über einen bemerkenswerten Film und über ein Hilfsprojekt für Straßenkinder in Casablanca. Von beidem kann man einiges lernen – wenn auch kein „Latein“.

Wie man nun mit diesen Kindern / Jugendlichen umzugehen habe – dafür gibt es sicher keinen fertig ausgearbeiteten Königsweg und der Autor dieser Zeilen hütet sich, schlaue Sprüche hierzu abzusondern. Aber einige Feststellungen seien doch gestattet und zur Diskussion gestellt:

  1. Das Problem unterscheidet sich nur graduell von der Problematik der „Systembrecher“ – schwer kriminellen Jugendlichen, die immer wieder mal auftauchen und deren Betreuung bzw. Resozialisierung in der Regel möglich ist, aber besonderen und personalintensiven pädagogischen Aufwand erfordern – ein Problem der Ressourcen also.
  2. Eine adäquate Betreuung bedarf sicherlich besonderer pädagogischer und sozialpädagogischer Methoden einschließlich Implementierung klarer Rahmenbedingungen. Eine solche Methodenentwicklung bedarf eines breiten Informationsaustauschs und fachlichen Diskussionsaufwandes innerhalb der Betreuer*innen-Gruppe und zwischen diesen und allen Vorgesetzten-Ebenen. Die Bedingungen der Methodenentwicklung sind sicherlich stark verbesserungsbedürftig.
  3. Ein wesentlicher Input für die fachliche Diskussion kann mit Sicherheit auch im Dialog mit Fachkräften des Herkunftslandes gefunden werden.
  4. Die Diskussion muss im Bewusstsein geführt werden, dass die Präsenz afrikanischer Straßenkinder in den europäischen Metropolen eine Begleiterscheinung der globalisierten und postkolonialen und sozial immer weiter auseinanderklaffenden Welt ist, zu deren Gewinnern Länder wie die BRD gehören. Sie trägt Mitverantwortung für die Verlierer. Weltweit rechnet man mit 100 Mio. Straßenkindern (lt. wikipedia). 30.000 davon sollen in Marokko leben, in Deutschland (außer Geflüchteten) 6.000 bis 7.000.

Thomas Trüper ( Stadtrat DIE LINKE)

Lesenswertes zur schwierigen Thematik

Leserbrief von „save me“ an das Mannheimer Wochenblatt

Film: „Ali Zaoua“ (Die Straßenkinder von Casablanca)

Hilfsorganisation Bayti im Kampf gegen die Ausgrenzung von Straßenkindern